Schweigeminute für Opfer von Winnenden

Winnenden (dpa) - Eine Woche nach dem Amoklauf von Winnenden hat Baden-Württemberg am Mittwoch um 10.00 Uhr mit einer Schweigeminute der 15 Opfer gedacht. Viele Rathäuser, Schulen, Institutionen, kulturelle Einrichtungen und Unternehmen setzten ihren Betrieb kurzzeitig aus.

In einigen Städten blieben Straßenbahnen stehen. Hörfunksender unterbrachen ihre Sendungen. Beim Autobauer Daimler standen die Bänder in Stuttgart, Sindelfingen und Rastatt für eine Minute still. Auch der Verwaltungsgerichtshof in Mannheim und Amtsgerichte wie in Stuttgart beteiligten sich an der Gedenkminute. Vor dem Tatort, der Albertville-Realschule, gedachten 200 Menschen, darunter viele Helfer des Deutschen Roten Kreuzes, der Opfer.

Ein 17-Jähriger hatte am Mittwoch vergangener Woche in Winnenden und Wendlingen 15 Menschen und sich selbst erschossen. Allein an seiner früheren Realschule in Winnenden brachte er acht Schülerinnen, einen Schüler und drei Lehrerinnen um. Am Mittwoch sollten drei weitere Opfer zu Grabe getragen werden.

Im Landtag in Stuttgart erhoben sich die schwarz gekleideten Parlamentarier zu Beginn der Sitzung zu einer Schweigeminute. Landtagspräsident Peter Straub (CDU) sagte: „Unsere Erschütterung und Beklommenheit sind übergroß und übermächtig. Unsere Trauer gerinnt zur Totenklage.“ Mit dem Amoklauf sei ein Alptraum Realität geworden.

Auch der Bundestag wollte sich am Nachmittag mit den Folgen des Massakers befassen. Die Aktuelle Stunde hatte den Titel „Kinder, Jugendliche, Familien stärken - Konsequenzen nach dem Amoklauf“. Im Vordergrund steht die Frage, wie Heranwachsende in ihrer Persönlichkeit so gefestigt werden können, dass sich solche Taten nicht wiederholen.

Das Amtsgericht Stuttgart verurteilte unterdessen einen „Trittbrettfahrer“ in einem beschleunigten Verfahren zu einer fünfmonatigen Bewährungsstrafe und 120 Stunden gemeinnütziger Arbeit. Der 24-jährige geständige Arbeitslose hatte am Tag des Amoklaufs im Internetportal www.kwick.de einen fiktiven Pressetext eingestellt mit der Beschreibung einer Amoktat an einer Waiblinger Berufsschule.

Bundespräsident Horst Köhler und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wollen nach der zentralen Trauerfeier am Samstag (21.3.) die Angehörigen der 15 Opfer treffen. Es werde Zeit für direkte Gespräche geben, kündigte Staatssekretär Hubert Wicker (CDU) in Winnenden an. In mehreren Kirchen im Südwesten soll die Trauerfeier auf Leinwänden übertragen.

Als Konsequenz aus dem Blutbad fordert der Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) einen „110-Button“ für Internet-Chatrooms. Dieser solle wie ein Notrufknopf im Fahrstuhl funktionieren, erklärte der BDK-Vorsitzende Klaus Jansen in Berlin. Wer im Internet auf die Ankündigung eines Amoklaufs stoße oder Hinweise auf eine andere Straftat entdecke, könne mit diesem Button eine Rettungsleitstelle alarmieren. Diese solle dann mit Psychologen, Pädagogen, Kriminalisten und Internet-Spezialisten besetzt sein.

Die Polizei bestätigte unterdessen einen Bericht der „Stuttgarter Zeitung“, wonach die Beamten in Winnenden vor einer Woche zunächst einen Unschuldigen festgenommen hatten: Der 18-Jährige war am Tag des Amoklaufs aus Neugier in die Nähe der Albertville-Realschule gekommen, wo er früher selbst Schüler war. Wegen seiner Kleidung schöpften die Ermittler Verdacht und hielten ihn für den Amokläufer. Nach einer ersten Befragung durchsuchten die Beamten sein Zimmer nach Waffen. Nachdem der echte Täter am Mittag in Wendlingen gestellt worden war, kam der 18-Jährige frei.

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