Antrag von Putin Russlands Oberhaus stimmt Truppeneinsatz zu - Nato warnt vor "groß angelegtem Angriff"

Das Oberhaus in Moskau hat den Einsatz russischer Truppen in der Ostukraine genehmigt. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg spricht von der gefährlichsten Lage für Europa innerhalb einer Generation.

 Russland will die Armee in der Ostukraine einsetzen.

Russland will die Armee in der Ostukraine einsetzen.

Foto: dpa/-

Das Oberhaus in Moskau hat den Einsatz russischer Truppen in der Ostukraine genehmigt. 153 Mitglieder des Föderationsrats votierten am Dienstag bei einer Sondersitzung einstimmig für einen entsprechenden Antrag von Präsident Wladimir Putin. Der Kreml-Chef hatte beantragt, die Armee müsse den pro-russischen Separatisten helfen. Kurz nach dem Votum des Förderationsrats sagte er aber, die Entsendung von Truppen hänge von der "Lag vor Ort" ab.

Vor der Abstimmung im Oberhaus hatte Vizeverteidigungsminister Nikolai Pankow dort Putins Bitte um Genehmigung der Truppenentsendung verlesen. 60.000 ukrainische Soldaten und schwere Panzer stünden an den Grenzen zu den selbsternannten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk im Osten der Ukraine, hieß es darin. In der Region liefern sich pro-russische Separatisten und ukrainische Soldaten seit 2014 Kämpfe, bei denen mehr als 14.000 Menschen starben.

"Sie haben uns keine Wahl gelassen", sagte Pankow. Russland werde "zum Schutz der Souveränität anderer Staaten und zur Verhinderung von Aggressionsakten handeln".

Mit der Anerkennung der Unabhängigkeit der Separatistengebiete hatte Putin am Montag den Ukraine-Konflikt dramatisch verschärft. In einer Fernsehansprache hatte der Staatschef angekündigt, russische Streitkräfte sollten in den Gebieten den "Frieden" sichern.

Russische Abkommen mit den Separatisten sehen die "gegenseitige Unterstützung" im Fall eines "Angriffs" sowie den "gemeinsamen Schutz" der Grenzen vor.

Russlands Präsident Wladimir Putin erkennt die Separatistenregionen Luhansk und Donezk in ihren deutlich größeren ursprünglichen ukrainischen Grenzen an. Das bedeutet, dass der Territorialanspruch der Separatisten, die bislang nur etwa 32 Prozent der Gebiete Luhansk und Donezk kontrollieren, deutlich über ihr bisher verwaltetes Gebiet hinausgeht. Das birgt die Gefahr neuer Kämpfe mit den ukrainischen Regierungstruppen, die den übrigen Teil kontrollieren. Putin sagte am Dienstag, dass die Führungen in den als unabhängige Staaten anerkannten „Volksrepubliken Luhansk und Donezk“ mit der ukrainischen Regierung darüber verhandeln müssten.

Bei einer Pressekonferenz erklärte Putin auch den Minsker Friedensplan für die Ostukraine für erledigt. Die Vereinbarungen hätten sich mit der Anerkennung der souveränen Staaten erübrigt, sagte Putin.

Von der Ukraine forderte Putin die "sofortige" Einstellung aller militärischen Aktivitäten im Osten des Landes. Andernfalls werde Kiew "die gesamte Verantwortung für die mögliche Fortdauer des Blutvergießens" tragen. Er warf Kiew erneut vor, in der Ostukraine einen "Genozid" an der russischen Bevölkerung zu begehen und in den Besitz von Atomwaffen gelangen zu wollen.

Seit Wochen stehen zehntausende Soldaten an der Grenze zur Ukraine, nach westlichen Angaben sind es rund 150.000.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warnt vor "groß angelegten Angriff"

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg hat vor einem "groß angelegten Angriff" Russlands auf die Ukraine gewarnt. Das Militärbündnis beobachte einen fortgesetzten russischen Truppenaufmarsch und Vorbereitungen für einen solchen Angriff, sagte Stoltenberg am Dienstag nach einer Sondersitzung des Nato-Ukraine-Komitees in Brüssel. Er sprach von der gefährlichsten Lage für Europa innerhalb einer Generation.

"Alles deutet darauf hin, dass Russland weiterhin einen Großangriff auf die Ukraine plant", sagte Stoltenberg weiter. Es sei aber noch nicht zu spät für einen Kurswechsel Moskaus. Stoltenberg begrüßte zugleich die von den Bündnispartnern eingeleiteten Wirtschaftssanktionen gegen Russland. Ausdrücklich lobte er den vorläufigen Stopp der Ostsee-Pipeline Nord Stream 2 durch die Bundesregierung.

EU verhängt neue Sanktionen gegen Russland.

Die EU verhängt angesichts der Eskalation im Ukraine-Konflikt neue Sanktionen gegen Russland. Die Außenminister der Mitgliedstaaten stimmten am Dienstag bei einem Sondertreffen in Paris einem entsprechenden Vorschlag der EU-Kommission und des Auswärtigen Dienstes zu, wie der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian bestätigte.

Parallel zu Sanktionen setzt die EU im Ukraine-Konflikt trotz der Eskalation weiter auf Verhandlungen. Die diplomatischen Anstrengungen gingen weiter, sagte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell am Dienstagabend bei der Ankündigung eines EU-Sanktionspakets in Paris. Es gehe darum, Russland wieder an den Verhandlungstisch zu bringen, die Gefahr eines großen Konflikts sei real. „Wir haben die Befürchtung, dass diese Geschichte noch nicht zu Ende ist.“

Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian sagte ebenso, dass die Türe offen stehe für die Diplomatie, man sei in den letzten Wochen aber in Russland auf eine Mauer gestoßen. Sein russischer Amtskollege Sergej Lawrow habe bei einem Telefonat mit ihm am Montag die Anerkennung der Separatistengebiete kurz darauf mit keinem Wort erwähnt. Deshalb finde ein für Freitag geplantes Treffen mit Lawrow in Paris nicht statt.

Auf die Frage, ob Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sich bei seinen diplomatischen Bemühungen von Russland habe vorführen lassen, sagte Le Drian, der Präsident habe alles getan, um Krieg zu verhindern. Kremlchef Wladimir Putin habe sich aber nicht an Zusagen gehalten, die er Macron gegeben habe, außerdem habe er sich über von Russland unterschriebene Verträge hinweggesetzt.

Russland zieht Botschaftspersonal aus Ukraine ab - auch UN zieht Personal ab

Russland zieht angesichts der sich weiter zuspitzenden Lage in der Ukraine sein Botschaftspersonal aus dem Nachbarland ab. „Für den Schutz ihres Lebens und der Sicherheit, hat die russische Führung die Entscheidung über die Evakuierung des Personals der russischen Auslandsvertretungen in der Ukraine getroffen“, teilte das russische Außenministerium am Dienstagabend in Moskau mit. Das solle „in sehr naher Zukunft“ umgesetzt werden. Das betreffe die Botschaft in Kiew und die Generalkonsulate. Zuvor hatten bereits westliche Länder angesichts eines befürchteten russischen Einmarsches in der Ukraine Personal reduziert oder komplett abgezogen.

Auch die Vereinten Nationen ziehen angesichts der sich zuspitzenden Ukraine-Krise ihr nicht unbedingt notwendiges internationales Personal aus dem Land ab. Dennoch werde die UN-Mission in der Ukraine ihre Aktivitäten "insbesondere im Osten des Landes" fortsetzen, versicherte eine UN-Sprecherin am Dienstag in Genf. "Wir sind weiterhin voll einsatzfähig."

Die Vereinten Nationen haben nach Angaben der Sprecherin 1510 Mitarbeiter in der Ukraine, davon 149 internationale. In den selbsterklärten "Volksrepubliken" Donezk und Luhansk im Osten des Landes arbeiten demnach rund 100 UN-Mitarbeiter.

(AFP/dpa)
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