Ruhrschnellweg: Die Schönheit der großen Straße

Am Ruhrschnellweg entwickelt Markus Ambach mit Schraubern, Reifenhändlern, Autowäschern und Kreativen eine neue Freiluft-Kunstszene.

Besucher vor dem „Tor des Westens“, einer umfunktionierten Autowaschanlage.

Besucher vor dem „Tor des Westens“, einer umfunktionierten Autowaschanlage.

Foto: Helga Meister

Duisburg. Über den Ruhrschnellweg, die wichtigste Verkehrsader des Landes, fahren täglich mehr als 155 000 Autos. Ausgerechnet hier, am Zusammenschluss von B 1 und A 40, entwickelt Markus Ambach auf 70 Kilometern zwischen Duisburg und Dortmund ein Großprojekt und nennt es wie schon 2010 zur Kulturhauptstadt „B 1/A 40 Die Schönheit der großen Straße“.

Markus Ambach und Pablo Wendel (von li.) vor einem selbst gebastelten Windrand.

Markus Ambach und Pablo Wendel (von li.) vor einem selbst gebastelten Windrand.

Foto: Helga Meister

Über den Träger Urbane Künste Ruhr nimmt er 600 000 Euro in die Hand und 20 Künstler in Schlepptau. Einen solchen Etat einem Künstler anzuvertrauen, ist ungewöhnlich. Aber Ambach firmiert längst als Projektautor. Er erklärt: „MAP (Markus Ambach Projekte) hört sich wie ein Architekturbüro an. Ich arbeite mit Künstlern, Planern, Architekten, Wissenschaftlern und Anliegern. Kunst und Stadtplanung sind mein Spezialgebiet.“

Seine Bustour beginnt er gern mit dem Bundesfernstraßengesetz. Es besagt, dass 40 Meter links und rechts einer Bundesautobahn und bis zu 20 Meter bei Bundesstraßen niemand wohnen darf. Doch in dieser Verbotszone leben 100 000 Menschen. Dass sie weder Chaoten noch Anarchisten sind, beweist ihr pfleglicher Umgang mit der Kunst im öffentlichen Raum.

Die Tour berührt fünf Städte und lässt sich auch mit dem eigenen Auto anfahren, denn die Rundwege sind gut ausgeschildert. An der U-Bahn-Haltestelle Mülheim-Eichbaum begrüßen Martin Pfeifle und Wanda Sebastian mit einem alten Operncontainer, den sie vergoldet haben und der nun wie ein Goldbarren in der Landschaft steht.

Durch ein Kornfeld geht es zu Volker Langs Zeltkonstruktion, die unter deren Dach Theater gespielt wird. Auf dem Weg dahin haben Christine und Irene Hohenbüchler Hütten zur Geschichte der fahrenden Völker aufgebaut. „Flieg Vogel flieg“ nennen sie ihre Installation mit Pappmachéköpfen hinter Maschendraht.

Wer will, kann von der Autobahn auch direkt in den Heißener Hof abbiegen, zur Landmetzgerei mit eigener A 40-Landwurst. Die Gänse, die dort gemästet werden, sind den Straßenlärm gewöhnt. Danica Dakic hat ihr Geschnatter aufgenommen und mit dem Komponisten Bojan Vuletic vom Asphalttheater in eine Gänseoper verwandelt. Die Tonbandaufzeichnung ist am Verkehrsknoten Kaiserberg im Container zu hören.

Ein Muss für Besucher ist Bochum-Hamme. Der Weg dahin führt an einer Autobahnkirche, am Schlachthof und an einer Schutzmauer vorbei zum „Museum Berggate 69“. Hier hob die legendäre Galeristin Inge Baecker auf dem Betriebsgelände ihrer Eltern in einer Garage vor 40 Jahren die Fluxus-Kunst aus der Wiege. Noch heute hängt das Foto des badenden Allan Kaprow am Ort. Ein Sado-Maso-Studio und ein Tanzsportclub liegen hier. Und nebenan betreiben Türken wie zu Kaprows Zeiten ein Lager für gebrauchte Reifen, die sie weltweit exportieren.

Ähnlich kurios ist der Standort Bochum-Dückerweg. Auf dem Parkplatz eines Supermarktzentrums treffen sich freitags ab 18 Uhr Tuner, die ihre Autos aufmotzen und am 22. August den Preis für die „Schönheit der Großen Straße“ verleihen. Zugleich hat dort die Künstlergruppe „Kunstrepublik“ eine Waschanlage zum „Tor des Westens“ umfunktioniert, mit einem rot-weißen Schlagbaum. Man fährt im eigenen Auto durch und hört den Song „Wer will kommen, der ist willkommen“.

Wer es idyllischer liebt, sollte Dortmund-Schönau ansteuern, unter der Schnettkerbrücke Christian Odzucks Architekturkonstrukt anschauen und auf der Brücke die Landschaft mit der sanierten Emscher genießen. Auf einer Anhöhe zegt Pablo Wendel Windräder aus Verkehrsschildern und Fundstücken. Seinen „Kunststrom“ würde er gern als kreative Energie an den Mann bringen. Eine Einspeisstation mit alternativer Zapfsäule im Mülleimer steht schon bereit.

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