Oer-Erkenschwick Ruf des Muezzin nur ohne Lautsprecher

Ehepaar gewinnt Klage gegen die Stadt Oer-Erkenschwick. Diese hatte zu Unrecht eine Ausnahmegenehmigung erteilt.

 Ertönt der Ruf zum Gebet von einer Moschee, kann es zu Konflikten kommen.

Ertönt der Ruf zum Gebet von einer Moschee, kann es zu Konflikten kommen.

Foto: Caroline Seidel

Gelsenkirchen. Ein seit Jahren vor Gericht anhängiger Streit um den von einer Moschee ertönenden Muezzin-Ruf (Gebetsaufruf) ist entschieden — zugunsten eines dagegen vor dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen klagenden Ehepaares.

Oer-Erkenschwick: Ruf des Muezzin nur ohne Lautsprecher
Foto: dpa

Die Stadt Oer-Erkenschwick hatte 2014 der türkischen Gemeinde eine Genehmigung nach dem Landesimmissionsschutzgesetz erteilt. Nach diesem Gesetz dürfen „Geräte zur Schallerzeugung oder Schallwiedergabe“ nur in einer Lautstärke benutzt werden, dass unbeteiligte Personen nicht erheblich belästigt werden. Auch wenn es laut wird, kann die Beschallung erlaubt sein, wenn die Behörde eine Ausnahmegenehmigung erteilt. Eben das hatte die Stadt Oer-Erkenschwick getan. Wogegen sich das Ehepaar wehrte. Nicht wegen der Lautstärke — die Kläger wohnen in 900 Meter Abstand zur Moschee — , sondern wegen des Inhalts des Rufes.

Wolfgang Wesener, Anwalt der Eheleute, sieht in dem Ruf des Muezzin die negative Religionsfreiheit seiner Mandanten verletzt. Negative Religionsfreiheit meint das Recht, von der Kundgabe anderer Glaubensüberzeugungen unbehelligt zu bleiben. Übersetzt bedeutet der Muezzin-Ruf laut dem Recklinghäuser Anwalt: „Allah ist der Größte. Ich bezeuge, dass es keinen Gott außer Allah gibt. Ich bezeuge, dass Muhammad der Gesandte Allahs ist. Auf zum Gebet. Auf zum Heil. Allah ist der Größte. Es gibt keinen Gott außer Allah.“

Anwalt Wesener stellte im Gespräch mit unserer Zeitung klar, dass seine Mandanten keine Islamfeinde seien. „Sie sind überzeugte Christen und empfinden das als Affront.“ Anhänger anderer Glaubensrichtungen würden durch den Muezzin-Ruf diskriminiert. Dabei sei unerheblich, dass dieser in fremder Sprache erfolgt. „Wenn man den Inhalt kennt, kommt es darauf nicht an“, sagt Wesener.

Sein Mandant betonte am Rande der Gerichtsverhandlung gegenüber dem WDR über den Muezzin-Ruf: „Das ist ein Glaubensbekenntnis. Und in dem wird unser Gott, an den ich glaube, der Gott der Dreifaltigkeit, mehr oder weniger erniedrigt. Ich möchte nicht vorgeplärrt bekommen, dass mein Gott nichts ist, sondern nur der Gott Allah ist etwas.“

In der Gerichtsverhandlung schlug das Verwaltungsgericht der Stadt einen Weg vor, die Sache gütlich beizulegen. Man solle eine Bürgerversammlung abhalten, um den Streit demokratisch zu klären. Das lehnte die Stadt aber ab. Daraufhin kassierte das Gericht die Ausnahmegenehmigung. Der Muezzin-Ruf darf also nicht mehr per Lautsprecher übertragen werden. Was übrigens wegen der aufschiebenden Wirkung der vor ein paar Jahren erhobenen Klage auch so schon länger nicht mehr der Fall war.

Ob die Stadt in Berufung vor das Oberverwaltungsgericht Münster zieht, ist noch unklar. Der Islambeauftragte der Evangelischen Kirche von Westfalen, Ralf Lange-Sonntag, äußerte sich gegenüber der Nachrichtenagentur dpa verwundert über die Gerichtsentscheidung. „Man muss die negative Religionsfreiheit miteinbeziehen, aber sie darf nicht absolut gesetzt werden.“ Solange die Lautstärke-Grenzwerte eingehalten worden seien, müsse man es ertragen, dass Menschen eine andere religiöse Position verträten.

Anwalt Wesener betonte indes, dass es seinen Mandanten, hier gar nicht um die Lautstärke, sondern vielmehr um den Inhalt des Rufes gegangen sei. Der nach außen getragene Ruf sei bereits Teil eines Gebetes, mit dem Andersgläubige oder nicht an Gott glaubende Menschen konfrontiert würden. Für den Fachanwalt für Verwaltungsrecht wäre es genauso unzulässig, wenn von christlichen Kirchen die ersten Zeilen des apostolischen Glaubensbekenntnisses heruntergebetet würden. Auch das würde die negative Religionsfreiheit von Menschen anderen Glaubens verletzen.

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