Rom flüchtet unter den Schirm

Nicht alles Gute kommt von oben. In Italiens Hauptstadt sorgen Stare für reichlich Dreck. Wohl dem, der einen Schutz dabei hat.

Rom. Einen Schirm kann man in Rom immer brauchen. Gegen die Sonne, gegen den manchmal schlimmen Regen — und gegen das, was die Vögel fallen lassen. Vor allem in Parks und am Tiber, wo es viele Bäume gibt, haben es sich Stare gemütlich gemacht, Ihr Gesang lässt Einheimische flüchten — oder Schutz unter Schirmen suchen.

Jedes Jahr machen Stare, die zu den häufigsten der einheimischen Singvögel zählen, im Spätherbst Station in Rom — Plage und Attraktion zugleich: Wenn sich die Tiere in den Abendstunden zum Flug zu ihren Gemeinschaftsschlafplätzen sammeln, locken die kunstvollen Formationen am Himmel Schaulustige, Fotografen und Vogelkundler.

Wenn es in Deutschland und Nordeuropa kalt wird, fliegen die Stare zu Millionen in Rom ein — aus keiner anderen Stadt sind solche Riesenschwärme bekannt. „Starenschlafplätze kennen wir bei uns auch, traditionellerweise sind das Plätze im Schilf“, sagt Vogelkundler Wolfgang Fiedler vom Max-Planck-Institut für Ornithologie in Radolfzell. „Dass sie in die Innenstadt gehen und in den Bäumen übernachten, ist etwas sehr Ungewöhnliches.“ Vier Millionen Tiere sollen es sein, die in der Ewigen Stadt den Winter verbringen.

Warum sie ihre Schlafgemeinschaft ausgerechnet mitten in der Stadt bilden, dafür gibt es nur Hypothesen. Laut dem italienischen Vogelschutzbund Lipu sammelten sie sich früher südöstlich von Rom in der sumpfigen Pontinischen Ebene. Nach deren Trockenlegung vor rund 80 Jahren siedelten die Stare in die Hauptstadt um. Der Grund laut Valentina Studer vom Lipu: „In der Stadt ist es wärmer.“ Und die Vögel haben dort weniger Feinde.

Anders als Tauben finden Stare in der Stadt nichts zu fressen. Deshalb werden sie zu Pendlern, verlassen morgens die Stadt, um abends in großen Schwärmen zurückzukehren.

Strenger Geruch verrät die von den Vögeln bevorzugten Orte. Autos sind mit Kot überzogen, und wenn es regnet, verwandelt er sich auf der Straße in einen schmierigen Belag, gefährlich für Fußgänger und Motorradfahrer. Bars schützen Tische und Gäste draußen mit Schirmen und Markisen. Mancher Römer versucht, die Tiere mit Krach zu verscheuchen. In den vergangenen Jahren wurden sie zur Abschreckung mit dem Schrei beschallt, mit dem die Vögel sich vor Feinden warnen.

Die Stadt hat nun auch für dieses Jahr Maßnahmen angekündigt. Umweltreferentin Estella Marino versprach, die Straßenreinigung mit zusätzlichen Kehrmaschinen zu verstärken. Mit Beginn der Dämmerung soll es wieder den Alarmschrei geben. Den Versuch, die Tiere damit zu verscheuchen, gebe es auch in deutschen Weinbergen, sagt Fiedler. Jedoch scheinen die Erfolge begrenzt. Die Vögel lernten schnell, dass keine Gefahr drohe. „Je öfter man das macht, desto weniger funktioniert das“, erklärt auch Studer.

Bis zum Januar müssen sich die Römer also mit den Wintergästen auf den Bäumen arrangieren. Erst dann ziehen die Stare zurück in den Norden. Bis dahin bleibt nur: Der Sprung unter den Schirm.

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