„Grundsatzurteil steht aus“ Richterbund sieht neue Bewertung schwerer Verkehrsunfälle

Berlin (dpa) - Die juristische Aufarbeitung tödlicher Verkehrsunfälle verändert sich aus Sicht des Deutschen Richterbundes. Die Rechtsprechung schaue bei schweren Unfällen mittlerweile genauer hin, ob es Indizien für vorsätzliches Handeln gebe, so der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, Jens Gnisa.

„Grundsatzurteil steht aus“: Richterbund sieht neue Bewertung schwerer Verkehrsunfälle
Foto: dpa

„Die Entwicklung ist neu, ein Grundsatzurteil steht aus“, sagte Gnisa der dpa. In solchen Fällen kommt eine Bestrafung wegen Totschlags oder Mordes in Frage. Früher seien „fast alle Fälle“ wegen fahrlässiger Tötung geführt worden. „Das ist natürlich ein niedrigerer Strafrahmen als wenn ich Vorsatz annehme.“

Am Freitag wird in Bremen ein Urteil gegen einen 28 Jahre alten Autofahrer erwartet, dem die Staatsanwaltschaft versuchten Totschlag vorwirft. Laut Anklage hat der Mann im Juni 2016 in Bremen ein 13-jähriges Kind lebensgefährlich verletzt, als er mit seinem Wagen über eine rote Ampel fuhr. Der Angeklagte soll das blutende Kind kurz angesehen haben und dann geflüchtet sein. Die Staatsanwaltschaft fordert eine Haftstrafe von fünf Jahren und neun Monate wegen versuchten Totschlags, gefährlicher Körperverletzung und Fahrerflucht. Aus Sicht der Verteidigung handelt es sich um fahrlässige Körperverletzung und Fahrerflucht.

Ende Februar waren in Berlin erstmals in Deutschland Autoraser wegen Mordes verurteilt worden. Nach einem tödlichen Rennen verhängte das Landgericht gegen zwei Männer lebenslange Freiheitsstrafen. Ein Verteidiger des 28-Jährigen kündigte umgehend Revision an. Damit wird der Bundesgerichtshof (BGH) den Fall prüfen. Der Deutsche Richterbund hofft auf ein Grundsatzurteil. Derzeit gebe es eine große Palette von Urteilen, sagte Gnisa. „Da muss man jetzt zu einer gewissen Vereinheitlichung der Rechtssprechung kommen.“

Am vergangenen Mittwoch wurde zudem ein Taxifahrer in München zu fünf Jahren Haft wegen versuchten Totschlags verurteilt, weil er einen Fußgänger absichtlich überfahren hatte. Der Richter in diesem Prozess rügte den Angeklagten: „Sie haben aus Wut gehandelt und Ihr Auto als Waffe zweckentfremdet.“

In Bremen hatte jüngst auch ein Prozess um einen tödlichen Motorradunfall für Aufsehen gesorgt. Der 24-jährige Angeklagte war Ende Januar wegen fahrlässiger Tötung zu zwei Jahren und neun Monaten Haft verurteilt worden. Der Motorradfahrer hatte im Juni 2016 einen 75-jährigen Fußgänger überfahren und tödlich verletzt. Er hatte regelmäßig seine rasanten Fahrten gefilmt und ins Internet gestellt. Der Mann war ursprünglich wegen Mordes angeklagt. Gegen das Urteil wurde Revision eingelegt.

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