Protest-Karawane nach Brüssel

Ein Bauer aus Meerbusch und hunderte empörte Kollegen wollen die EU-Stadt lahmlegen.

Meerbusch. Heinz Davids (42) reicht’s. "Wenn ich zum Melken in den Kuhstall gehe, muss ich ja Eintritt zahlen." Was nicht nur den Milchbauern aus Meerbusch, sondern europaweit auch Tausende seiner Kollegen empört und in Existenznöte stürzt, sind die stetig fallenden Milchpreise.

Auf Davids’ Birkenhof stehen den jährlichen Erlösen in Höhe von 218.000 Euro aus Milch-, Schlachtvieh- und Kälberverkauf inklusive EU-Zahlungen Kosten in Höhe von 263.000 Euro für Futter, Maschinen, Gebäude, Tierarzt und die Arbeitsleistung entgegen. Macht unterm Strich ein Minus von 45.000 Euro.

Gemeinsam mit Hunderten Milchbauern aus ganz Deutschland ist Davids am Montag mit seinem 140 PS starken Fendt-Schlepper zu einer Protest-Sternfahrt nach Brüssel aufgebrochen. Bereits am vergangenen Wochenende waren die ersten Milchbauern mit ihren Schleppern und Traktoren aus dem Osten gestartet, norddeutsche Bauern gesellten sich dann hinzu. Parallel fährt ein süddeutscher Konvoi von Thüringen und Bayern über Hessen nach Rheinland-Pfalz.

Gemeinsames letztes Etappenziel des Nord-Konvois in Deutschland ist der Hannen-Hof in Kleve-Reichswalde. Am späten Montagabend erreichen mehr als 250 Traktoren von Münster kommend über die B67 zunächst das Städtchen Rees. Beeindruckend und schier endlos ist die Reihe des mit knapp Tempo 40 vorbeidonnernden Konvois, dessen Länge der Klever Polizeisprecher Manfred Jakobi auf "gut sechs Kilometer" schätzt.

In der beginnenden Dämmerung hat das Blitzen der gelben Rundum-Warnleuchten an den Traktoren fast schon symbolhaften Charakter und unterstreicht die Entschlossenheit der Konvoi-Teilnehmer: An vielen Fahrzeugen fordern Plakate "Faire Milchpreise". Etwas ungelenk heißt es auf einem handgemalten Plakat "Vom Norden bis in den Süden - mit vereinter Kraft es bis Brüssel wird geschafft", und ein weiteres Transparent verkündet: "Bauerei ist Sterben - dank Aldi!"

Für die Protest-Karawane nach Brüssel sind die meisten Landwirte durchaus pragmatisch ausgestattet: An die Schlepper angehängte Campingwagen bieten komfortable Übernachtungsmöglichkeiten, aber auch zahlreiche angehängte Pferde-Transporter sind zu sehen, die als mobiles Nachtlager dienen sollen. Ganz pragmatisch zeigt sich ein Landwirt aus Ludwigslust in Mecklenburg-Vorpommern: Auf seinem angehängten Tieflader sind zwei Camping-Zelte aufgebaut und befestigt.

Über die Reeser Rheinbrücke und durch Kleve erreicht die Karawane kurz vor Mitternacht den Hannen-Hof in Reichswalde. Auf einer knapp drei Hektar großen Wiese (so groß wie drei Fußballfelder) werden die schweren Schlepper und Traktoren abgestellt. Für die müden Fahrer haben die Klever Bauern noch ein großes Grillfest organisiert, dafür reichlich Würstchen und Koteletts nebst Unmengen von Krautsalat gestiftet.

Bauer Elmar Hannen hat alles organisiert, einschließlich eines großen Toilettenwagens. "Und wenn’s ganz schlimm kommt - direkt nebenan ist unsere Biogasanlage..." Am Dienstagmorgen, nach einem Frühstück, für das mehr als 1.000 Brötchen bereit standen, setzte sich die Karawane erneut in Bewegung. Ziel: Das Örtchen Oreye am Stadtrand von Brüssel.

Vor dem Rathaus der EU-Stadt wollen die Bauern dann Donnerstag und Freitag beim Treffen der EU-Staatschefs mit ihren Kollegen aus Frankreich und den Benelux-Ländern für ihr Anliegen demonstrieren. Ankündigungen der Brüsseler Behörden, die Stadt für die Traktoren zu sperren, beeindrucken die kämpferischen Landwirte nicht.

Auch der Meerbuscher Heinz Davids weiß schon, wie er sich dann verhalten will: "Wenn die uns mit den Schleppern nicht rein lassen wollen, dann stellen wir uns quer und lassen die nicht mehr raus."

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