Porträt: Kämpferin gegen Beschneidung

Die 32-jährige Jawahir Cumar ist selbst Opfer der Genitalverstümmelung. Heute setzt sie sich mit einem Düsseldorfer Verein für die Rechte junger Frauen ein.

Düsseldorf. Die Aufgabe, die sich Jawahir Cumar gestellt hat, ist riesig. Sie kämpft gegen eine lange und grausame Tradition. Dennoch gibt die 32-jährige Mutter aus Somalia nicht auf. Die Vorsitzende des Vereins "Stop Mutilation" ("Stoppt Beschneidung") mit Sitz in Düsseldorf will Frauen und Mädchen vor Genitalbeschneidung retten.

Nicht nur in ihrer Heimat sind die jungen Mädchen von der Verstümmelung bedroht, viele afrikanische Familien halten auch in Deutschland an der Tradition fest. "Viele lassen ihre Kinder dann in den Ferien in Afrika beschneiden", sagt Cumar. Andere ließen eine Beschneiderin nach Deutschland kommen.

Allein in NRW leben nach Angaben des Vereins mehr als 5600 Mädchen und junge Frauen, die von Genitalbeschneidung bedroht sind. Seit 2005 berät der Verein "Stop Mutilation" Frauen, Kinder und Männer. Sein Ziel ist es, die Verstümmelungen sowohl in Afrika als auch in Deutschland zu bekämpfen. Mit finanzieller Unterstützung der Organisation World Childhood Foundation, die von Königin Silvia von Schweden gegründet wurde, konnte der Verein nun eine feste Beratungsstelle in Düsseldorf einrichten. Weitere Beratungsstellen gibt es in Berlin und Frankfurt.

Die betroffenen Frauen zu erreichen, sei nicht das Problem. Durch Mundpropaganda sei der Verein weit über Düsseldorf hinaus bekannt. Außerdem gebe es Informationsveranstaltungen, Vorträge in Schulen und andere Projekte. "Wir wollen das Vertrauen der Menschen gewinnen", sagt Cumar.

Die Frauen müssten für das Thema aber erst einmal sensibilisiert werden. Viele wüssten gar nicht, dass die Beschneidung verboten sei, erklärt Cumar. Sie nähmen die Verstümmelung auch nicht als Verletzung ihrer Menschenrechte wahr. "Wer nicht beschnitten ist, wird in der Schule ausgeschlossen und findet später keinen Mann", fasst Cumar zusammen, warum so viele Frauen ihren Töchtern die grausame Prozedur zumuten.

Oft wird das mit einem Fest gefeiert, das Kind bekommt Süßigkeiten und Geschenke. An dieser Tradition halten die Frauen fest, obwohl sie selber die furchtbaren Schmerzen einer Beschneidung erlitten haben. Nur um nicht als "unrein" zu gelten. "Sie gehen davon aus, dass sie damit etwas Gutes tun", erklärt Cumar, die seit 21 Jahren in Deutschland lebt und selbst Mutter von drei Kindern ist.

Hier setzt die 32-Jährige an. Sie möchte Frauen aufklären und ihnen ihre Rechte bewusst machen. Ihnen klar machen, dass Frauen anderer Kulturen nicht beschnitten werden. Dennoch werden nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef weltweit täglich mehr als 8000 Mädchen beschnitten. Für einige endet die Verstümmelung tödlich. Sie sterben an den Folgen des Eingriffs, an Infektionen oder an späteren Komplikationen.

Jawahir Cumar hat einen sehr persönlichen Grund, sich gegen Genitalverstümmlung zu engagieren: Sie ist selbst betroffen. Im Alter von fünf Jahren wurde sie in Somalia beschnitten. Was sie bei der Prozedur erwartete, hatte sie vorher nicht gewusst. Nun versucht sie, junge Mädchen vor diesem Schicksal zu bewahren. Zehn Mädchen habe sie im vergangenen Jahr mit Hilfe von "Stop Mutilation" vor der Genitalverstümmelung bewahren können. "Jede, die ich rette, bedeutet mir viel."

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