Porträt: Die erste, letzte und einzige Miss DDR

Die Brandenburgerin Leticia Koffke war die schönste Frau des real existierenden Sozialismus – nur für wenige Tage.

Düsseldorf. Den Mauerfall verschlief Leticia Koffke fast auf ihrem Sofa. Damals arbeitete sie noch im Schichtdienst im Krankenhaus und war seit drei Uhr morgens auf den Beinen gewesen. Der Freund weckte die damals 18-Jährige mit den Worten: "Schalt den Fernseher an. Die Grenze ist auf."

Die Arbeit ging allerdings vor. Erst am darauf folgenden Wochenende besuchte Koffke den Westen, der für die Brandenburgerin im Osten lag. Dass ihr Gesicht bald als schönstes der DDR gehandelt würde, ahnte sie, als sie staunend über den Kudamm schlenderte, noch nicht.

Geboren und aufgewachsen ist Koffke im alten Städtchen Brandenburg. Ihre Kindheit bezeichnet sie als glücklich. "Wir hatten, was wir brauchten." Später, als sie 16 Jahre alt war, sei ihr aber klar geworden, dassder Staat, in dem sie lebte, doch nicht so fehlerfrei war, wie er vorgab: "Zum Beispiel warnten Freunde mich vor Stasi-Spitzeln."

Mit dem Mauerfall änderte sich das Leben in der DDR schlagartig. In den Discos fanden landauf landab Miss-Wahlen statt. Zu Zeiten, als Erich und Margot Honecker noch über Sitte und Moral wachten, waren solche Wettbewerbe undenkbar. Nach der Wende allerdings wählte fast jedes Dorf seine eigene Miss. Oft gab es dabei nur eine Flasche Sekt oder eine Schachtel Pralinen zu gewinnen.

Anders erging es Leticia Koffke. Am 22. September 1990 wurde sie zur Miss DDR gewählt. Obwohl der Titel streng genommen nur wenige Tage Gültigkeit hatte, bot man dem Fräuleinwunder aus dem ehemaligen sozialistischen Staat lukrative Verträge als Model an. Koffke nutzte die Chance und zog - um näher dran zu sein - nach Oldenburg.

Koffke war bald auf den Laufstegen der Welt zuhause. Sie lief in Hamburg, Mailand und New York. Im Kaufhof in Düsseldorf gab sie eine Autogrammstunde. Die Pracht der Kö überwältigte sie mehr noch als im Jahr zuvor die des Kudamms. Diesmal nämlich war sie nicht Zuschauerin, sondern Teil der Glitzerwelt.

Gleichzeitig kreierte sie mit ihrem damaligen Mann die eigene Modemarke "Leticia K.". Doch irgendwann begann sie ihr Leben zu langweilen. "Mir fehlte die intellektuelle Herausforderung", sagt Leticia Koffke heute.

Den Beruf des Models hängte sie an den Nagel. Einige Jahre leitete sie mit ihrem Mann die gemeinsame Firma. Nach der Trennung von ihm zog sie mit ihrer Tochter ins heimatliche Brandenburg. Lange blieb sie dort aber nicht. Sie bewarb sich bei einer bekannten Juwelierkette und machte rasch Karriere. Inzwischen ist sie Leiterin der Filiale von "Christ" in der Kölner Innenstadt.

Manchmal schaut sie sich ihrer 14-jährigen Tochter zuliebe Castingshows im Fernsehen an. Dann muss sie über die Welt einer Heidi Klum schmunzeln. Natürlich sei sie nicht nostalgisch wie mancher ehemaliger DDR-Bürger. "Die DDR war ein Unrechtsstaat", sagt Leticia Koffke. "Aber wir hatten damals einen Blick für den Anderen." Der fehle ihr hier im Westen manchmal.

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