Porträt: Der Meister des „zweiten Gesichts“

Schauspieler Lars Maué (47) betreibt in Wismar eine der letzten deutschen Theatermasken-Werkstätten.

Wismar. Die Brauen müssen markanter ausfallen. Wie ein Bildhauer formt Lars Maué dicke Wülste über den Augenhöhlen. Nach der Tonvorlage wird der Maskenbauer später einen Holzkopf schnitzen. Auf diesem modelliert er dann in Filigranarbeit aus eingeweichtem Rindslenden-Leder das „zweite Gesicht“ für den traurigen Clown eines Brecht-Stückes.

Auch alle erdenklichen Tiere, Kaufleute, Räuber, Verliebte, Harlekine oder Hexen gehören zum Repertoire. Denn Lars Maué fertigt in seiner Wismarer Werkstatt, die winzig scheint wie ein Puppentheater, als einer der letzten seiner Zunft in Deutschland Theatermasken an.

Maué hält den Atem an, als er eine getrocknete Leder-Larve — so werden die Masken auch genannt — vom Modell abzieht. Atmungsaktive Farben ersetzen das Make-up, die Maske wirke damit lebendig wie eine zweite Haut, erklärt der gelernte Schauspieler. Eine Maske bilde den Auftakt zum Entwickeln einer Bühnenrolle, sie gebe den Charakter vor. „Eine Maske fokussiert wie ein Brennglas Emotionen und Körpersprache.“

Der Wismarer, der neben Schauspiel und Maskentheater auch Regie, Bühnenbildnerei und modernen Tanz studierte, kreiert seine Kostüme daher stets im regen Ideenaustausch mit Künstlern und Regisseuren. Eine Theatermaske dürfe nicht verschleiern wie beim Karneval, sagt er. Vielmehr solle sie den Charakter einer Bühnenfigur im wahrsten Wortsinn „entlarven“. So wie die Stimme den Sinn von Worten spiegele, präzisiere die Maske, was der Mime körperlich auszudrücken versuche.

Sein Handwerk erlernte Maué bei Koryphäen: Von Lehrern des französischen Theatre du Soleil, dem indonesischen Tänzer Suprapto Suryodarmo und von Donato Satori, dem Sohn einer venezianischen Maskenbauerdynastie. Maué machte sich 2004 selbstständig und zog 2009 nach Wismar.

In Deutschland sei diese Ausdrucksform nahezu in Vergessenheit geraten. Nur experimentelle Theater ließen sich noch auf das „Versteckspiel“ ein, sagt der 47-Jährige. Maué findet seine Kundschaft daher eher bei den kleinen, wenig bekannten Ensembles. Neben einem Wiener Straßentheater gehörten freie Häuser in Hamburg und Lübeck sowie ein Rostocker Alleindarsteller zu seinen Auftraggebern.

Für sein fast ausgestorbenes Handwerk sieht der Maskenbauer aber eine Zukunft: Auch große Theater müssten neue Wege einschlagen, um jüngeres Publikum anzulocken. Dafür sei das Maskenspiel wie geschaffen — schließlich habe die Maskenkunst, die Jäger vor Jahrtausenden mit ihren Trophäen erfunden haben sollen, das denkbar modernste Medium erobert: Kein Computerspiel gehe heute mehr ohne maskierte Helden über die Bühne.

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