Porno-Abmahnung: Gericht rudert zurück

Die Herausgabe der Nutzer-Adressen hätte nicht angeordnet werden dürfen — sagt das Landgericht Köln.

Köln. Richter sprechen Urteile. Dass sie öffentlich zugeben, etwas falsch gemacht zu haben, ist höchst ungewöhnlich. Eben dieses Eingeständnis hat das Kölner Landgericht Freitag gemacht — im Fall der massenhaften Abmahnungen möglicher Nutzer des Internetportals Redtube.

Es geht um den heiß diskutierten Fall, in dem das Landgericht Köln angeordnet hatte, Namen und Adressen von Zehntausenden Computernutzern an eine Anwaltskanzlei herauszurücken. Was die Kanzlei in die Lage versetzte, Abmahnungen zu verschicken: Jeweils 250 Euro sollte jeder zahlen, weil er urheberrechtlich geschützte Pornofilme über Redtube angeschaut habe.

Das Gericht hätte diese Anordnung nie treffen dürfen, argumentieren Rechtsexperten. Nicht nur sei es dubios, wie die hinter den Regensburger Abmahnanwälten stehenden angeblichen Inhaber der Filmrechte überhaupt an die IP-Adressen (Hausnummer eines Computers im Internet) gekommen sei.

Vor allem aber gehe es nur um sogenanntes Streaming — und dabei könne von einem Urheberrechtsverstoß der Nutzer nicht die Rede sein. Anders als beim Austausch von Dateien über Tauschbörsen werden die Daten beim Streaming nur temporär zwischengespeichert. Auch wer etwa einen Film auf dem populären Portal Youtube anschaut und dann wieder schließt, hat ihn nicht gespeichert. Und dann, so die Kritiker, würden keine Urheberrechte verletzt. Folglich hätte das Gericht die Herausgabe der echten Adressen erst gar nicht anordnen dürfen.

Eben dieser Meinung scheint jetzt auch das Landgericht Köln selbst zu sein. Die Richter, so heißt es in einer Pressemitteilung, „neigen dazu, an ihrer ursprünglichen Einschätzung nicht mehr festzuhalten und den Beschluss aufzuheben.“ Endgültige Entscheidungen werde es aber frühestens im Januar geben.

Allerdings ist das Kind längst in den Brunnen gefallen. Zehntausende haben — auch aufgrund der richterlichen Anordnung — längst den Ärger mit Frau oder Freundin: „Du guckst Pornos?“ Und sie müssen ihre Anwaltskosten tragen. Was hilft da ein Zurückrudern des Landgerichts? Christian Solmecke, auf Internetrecht spezialisierter Kölner Rechtsanwalt, der die Wende des Landgerichts gegenüber unserer Zeitung spontan mit „Das ist der Hammer“ bewertete, sieht zwei Ansatzpunkte: „Zum einen dürfte man von einem Beweisverwertungsverbot ausgehen.

Dann wäre die Luft raus aus den Abmahnungen.“ Und hinsichtlich der entstandenen Kosten für den Rechtsbeistand hält er durchaus eine Amtshaftung für möglich. Heißt: Das Land müsste eventuell für die Fehler des Landgerichts aufkommen.

Solmecke weist darauf hin, dass noch unklar ist, ob die Beschlüsse des Gerichts über die Herausgabe der Adressen von Amts wegen aufgehoben werden oder „ob die schätzungsweise 30 000 Betroffenen in jedem Fall einzeln Beschwerde einlegen müssen.“

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