Pflege-Tüv enthüllt Missstände

Erste Ergebnisse der neuen Überprüfungen zeigen: In vielen Heimen gibt es eklatante Mängel.

Berlin/Düsseldorf. Die Pflegereform macht’s möglich: Voraussichtlich von November an können Angehörige auf der Suche nach einem Pflegeheim für Vater oder Mutter erstmals eine Benotung der Einrichtungen im Internet einsehen. Seit 1.Juli prüfen die Medizinische Dienste der Krankenversicherung (MDK) dafür die insgesamt rund 11 000 Heime in Deutschland. Erste Ergebnisse dieses "Pflege-Tüv" offenbaren nun teilweise eklatante Mängel - und bestätigen damit vorangegangene Untersuchungen.

Bis Mitte September wurden bundesweit die ersten rund 1000 Heime nach festgelegten Kriterien begutachtet (siehe Kasten). Ausgerechnet im Kernbereich "Medizin und Pflege" - dazu gehören die Vorsorge vor dem Wundliegen der Bewohner oder der Ernährungszustand - schnitt rund ein Fünftel der Heime schlecht ab.

124 erhielten ein "ausreichend", 41 sogar eine glatte "Fünf". Die schlechtesten Werte gab es im Umgang mit Demenzkranken: 192 Heime erhielten hier nur eine "Vier" oder "Fünf". Bei der aus allen Kriterien ermittelten Gesamtnote erreichten aber 700 Einrichtungen ein "sehr gut" oder "gut", 73 wurden mit "ausreichend" bewertet, zwölf mit "mangelhaft".

Dieter Voß, Vorstand bei der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV), sprach von einer insgesamt "hinreichenden Qualität" bei den Pflegeheimen. Dass durch die neue Benotung bereits in den ersten Wochen die mangelhafte Qualität von zwölf Heimen aufgedeckt werden konnte, bestätige aber die Sinnhaftigkeit der neuen Prüfung.

An ihr entzündet sich allerdings weiter Kritik. Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach bemängelte jüngst, dass die Bewertung in die Irre führe, weil gute Einrichtungen wegen "lässlicher Mängel" schlechte Noten und nicht empfehlenswerte Heime wegen unwichtiger Pluspunkte gute Noten erhalten könnten. So könnten lebensbedrohliche Mängel beispielsweise bei der Ernährung durch gute Noten für einen gut lesbaren Aushang des Wochenspeiseplans ausgeglichen werden.

Auch die Medizinischen Dienste im Saarland und in Rheinland-Pfalz übten Kritik am Zustandekommen der Noten. Der Grund ist, dass die Bewertung aller Bereiche - sei es die Pflege oder die Alltagsgestaltung - gleichwertig in die Gesamtnote einfließt.

GKV-Vorstand Voß wies die Kritik zurück. Die ersten Ergebnisse zeigten, dass die Systematik geeignet sei, Unterschiede in der Qualität der Pflegeheime darzustellen. Auch der Medizinischer Dienst in Nordrhein, zuständig für die Regierungsbezirke Düsseldorf und Köln, hält das System grundsätzlich für richtig.

Friedrich Schwegler, Leiter des Bereichs Pflegeversicherung, betonte am Donnerstag in Düsseldorf, dass sich schlechte Leistungen der Heime auch in der Gesamtnote widerspiegelten. "Es gibt nicht den befürchteten Einheitsbrei." Zudem sei geplant, dass Angehörige im Internet alle geprüften Einzelbereiche einsehen könnten. Allerdings sollen die Erfahrungen der ersten Monate ausgewertet und die Kriterien möglicherweise korrigiert werden.

In Nordrhein wurden bislang 300 der 1000Heime überprüft. Zehn Prozent erhielten ein "ausreichend", etwa drei Prozent ein "mangelhaft". Die mangelhaften Einrichtungen werden laut Schwegler nicht geschlossen, sondern müssen ihre Leistung verbessern und werden wieder überprüft.

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