Pedelec-Fahrer: Mehr Verletzte und Tote in NRW

Pedelecs sehen aus wie ganz normale Fahrräder — doch der Motor macht sie schnell. Das wird auch von Autofahrern unterschätzt.

Pedelec-Fahrer: Mehr Verletzte und Tote in NRW
Foto: dpa

Wesel/Münster. Für ihr Alter ist die Frau auf dem Rad recht flott unterwegs. 20 Kilometer pro Stunde. Bei jedem Tritt in die Pedale geht es gut vorwärts, unterstützt vom Elektromotor. Plötzlich fährt kurz vor ihr ein Auto rückwärts auf die Straße. Die Frau prallt in den Wagen, ungebremst. Zerknautscht ist aber nur der Smiley, der auf der Leinwand vor ihr erscheint. „Mir hat der Rücktritt gefehlt“, beklagt sie im Pedelec-Simulationstraining der Polizei Wesel — der Rücktritt wie bei ihrem ganz normalen Fahrrad.

Die Polizei Wesel hat den landesweit ersten „E-Bike-Simulator“ angeschafft, nachdem es immer mehr Pedelec-Unfälle gab — auch mit Toten: Bei dem Simulator ist das fest installierte Fahrrad mit der Leinwand gekoppelt, auf der dann verschiedene Fahrszenarien erscheinen.

Nach einem landesweiten Rekordwert bei Pedelec-Unfällen von knapp 1070 im Jahr 2016 zeichnet sich laut NRW-Innenministerium im laufenden Jahr ein weiterer Anstieg ab. 16 der in diesem Jahr bisher 19 getöteten Pedelec-Fahrer waren demnach 65 Jahre oder älter. „Ältere Menschen bauen körperlich ab und rüsten technisch auf“, beobachtet der Leiter der Polizei-Unfallprävention in der Rad-Region Wesel, Uwe Melchiors. Mit dem Elektro-Motor seien sie bei gleicher Anstrengung viel schneller unterwegs als auf dem herkömmlichen Fahrrad. „Wenn man auf einem Pedelec zu bremsen beginnt, steht man mit einem anderen Fahrrad schon“, nennt er einen Unterschied.

Senioren müssten sich darüber im Klaren sein, dass sie im Laufe der Jahre langsamer auf dem Fahrrad werden, sagt Christoph Becker von der Verkehrswacht Münster. „Die haben sich ans langsame Fahren gewöhnt, haben eine tolle Routine, können alles gut einschätzen. Plötzlich setze ich mich auf das Pedelec, trete genauso wie vorher und erreiche plötzlich 22 km/h.“ Das unterschätzten sehr viele, sagt der Geschäftsführer der Verkehrswacht Münster, der seit Jahrzehnten auch Polizeibeamter ist. Die Polizei rät grundsätzlich zur Teilnahme an einem Fahrsicherheitstraining. Auch die Verkehrswacht Münster hat auf steigende Unfallzahlen reagiert und wie die Polizei Wesel ein Simulationsgerät für Präventionskampagnen gekauft. Im nächsten Jahr soll es auch erste Pedelec-Kurse für Senioren geben. Aber streng genommen müssten auch die Autofahrer etwas über die Pedelec-Fahrer lernen, meint Becker.

Autofahrer unterschätzten die Geschwindigkeit der Pedelec-Fahrer, meint er und beschreibt eine klassische Situation: „Ich befahre eine Hauptverkehrsstraße in Münster. Rechts nehme ich einen Radfahrer wahr und der Radfahrer hat graue Haare, dann denke ich: der fährt 14 km/h, da kann ich noch bequem abbiegen. Und das klappt nicht, weil der ein Pedelec fährt und schneller ist. Dann ist der Radfahrer da beim Abbiegen und der Autofahrer hat ihn auf der Haube liegen.“

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