Oliver Knickel macht sich auf den langen Weg zum Mars

Der 28-jährige Soldat traut sich 520 Tage Quarantäne im Simulations-Container zu.

Eschweiler. "Raumschiff Enterprise" hat Oliver Knickel nie gesehen. Von der Kult-Serie im Fernsehen kennt er nur den Namen - was vielleicht auch mit seinen 28 Jahren zusammenhängt. Zu Zeiten von "Enterprise" war die Reise zum Mars noch reine Science-Fiction. Für den Bundeswehr-Offizier aus Eschweiler ist die 56 Millionen Kilometer lange Reise so nah und so real wie sie es heutzutage nur sein kann. Knickel trainiert als einziger Deutscher für die Teilnahme an einem Simulationsflug zum Mars.

Es ist ein Langzeitversuch der Europäischen Weltraumorganisation Esa und des russischen Instituts für biomedizinische Probleme. Dabei beobachten Experten die psychischen Auswirkungen der langen Isolation. Eine Mars-Mission würde nach heutigem Kenntnisstand rund 520 Tage dauern. 520 Tage mit fünf fremden Menschen auf engstem Raum. Das würden sich nicht mal gute Freunde zutrauen.

In einer ersten Studienphase testen vier Russen und zwei Europäer in einem nachgebauten Raumschiff 105 Tage lang was passiert. Spätestens in einem Jahr gibt es eine zweite Studie, bei der eine andere Besatzung die ganzen 520 Tage virtuell auf Reisen geht.

Knickel braucht in seiner Freizeit viel Platz: Er fährt gern Ski, und er joggt. Er ist naturverbunden - und er bezeichnet sich als Einzelgänger, der aber gerne Kontakt mit Menschen hat. Im normalen Leben steht der gebürtige Düsseldorfer im Hörsaal der Donnerberg-Kaserne in Eschweiler und unterrichtet Unteroffiziere. Ende Januar beginnt in Moskau sein Training mit drei Franzosen für die 105-Tage-Studie. Sprachprobleme wird es für Knickel nicht geben, er spricht Englisch, Französisch und Russisch. Danach bleiben zwei übrig. Nachdem er sich unter 5600 Mitbewerbern durchgesetzt hat, ist das die letzte Hürde. "Ich rechne mir gute Chancen aus", sagt Knickel.

"Das ist ein Reiz für mich, an einer Extremerfahrung teilzunehmen" und die Arbeit von Astronauten zu tun, sagt er zu seiner Motivation. Und es reizt ihn, "ein kleines Rädchen zu sein im Uhrwerk, damit Menschen irgendwann mal auf den Mars fliegen" - auch wenn die Aussicht auf rationiertes "Dosenfutter" und der lange Verzicht auf Freunde auch nicht prickelnd für ihn ist.

Knickel würde es am liebsten nicht nur bei der Simulation belassen. "Es wäre mein größter Traum", bekennt der Berufssoldat, "Astronaut zu werden." Doch die Auswahlkriterien sind hart. Im vergangenen Jahr suchte die europäische Weltraumbehörde Raumfahrernachwuchs. Knickel bewarb sich, wurde aber abgelehnt. Ihm fehlte es an Erfahrung in seinem Beruf als Maschinenbau-Ingenieur.

Theoretisch könnten die Teilnehmer des Langzeitversuchs einfach aussteigen. Die Raumfähre bleibt ja tatsächlich am Boden. Die Projekt-Partner wollen aber wissen, worauf sich alle einlassen, wenn die Trägerrakete gezündet ist und es kein Zurück mehr gibt - ein Reise-Arrangement ohne Ausstiegs-Option. Selbst eine Frage aus dem Weltraum wird dann bis zu 20 Minuten brauchen, um den Adressaten auf der Erde zu erreichen. Krisen-Intervention ist so kaum möglich.

Wie bei einer richtigen Marsmission arbeitet die Simulationscrew in drei Schichten. "Es wird versucht, die Leute zu beschäftigen", sagte der Esa-Manager des Simulations-Projektes "Mars 500", Martin Zell. "Es wird psychologische und kleinere medizinische Probleme geben" erwartet er. Das eigentliche Problem werde die räumliche Enge sein. Die 180 Quadratmeter sind ja auch mit Technik voll gestellt, und es gibt einen Trainingsraum - damit die Muskeln in Schuss bleiben.

Knickel liest gerne historische Romane. Einen wird er für die Reise auf seinen Laptop laden. Auch Familienfotos wird der ledige Mann im Gepäck haben. "Ich werde die Sonne vermissen und die Pflanzen", sagt er. Auch wenn Knickel tatsächlich noch nicht unterwegs ist, in Gedanken ist er schon weg.

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