Oliver Kalkofe: „Tickt ihr noch richtig?“

Oliver Kalkofe spricht über den Zustand des Fernsehens, Visionen und Ideen, die leider Wirklichkeit wurden, und erklärt, warum er selbst manchmal Mist macht.

Düsseldorf. Oliver Kalkofe begann vor 15 Jahren auf Premiere mit der Sendung "Kalkofes Mattscheibe", in der die schlimmsten Sendeformate verulkt wurden. Im Oktober kommt Kalkofe mit einer Bühnenversion der Show nach NRW.

Herr Kalkofe, Sie sehen sich jetzt seit 15 Jahren die Niederungen des Fernsehens an. Wie steht es um Ihre geistige Gesundheit?

Kalkofe: Im Moment geht es. Aber ich rechne stark mit psychischen Folgeschäden im Alter. Ich bereite mich systematisch auf Alzheimer vor, damit ich das alles vergessen darf. Ich habe auch wirklich Angst vor mir selber, wenn ich daran denke, was ich alles kenne. Das ist schon gruselig.

Wird denn das Fernsehen wirklich immer schlimmer?

Kalkofe: Leider ja, ich würde gerne etwas anderes sagen. Ich bin auch kein Kulturpessimist, der sagt, alles ist Schrott und die Leute sollen ein Buch lesen. Aber das Fernsehen ist so sehr an einem Tiefpunkt, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass es noch schlimmer wird. Es gibt keine Ideen, keinen Mut, keine Kreativität und kein Geld. Das ist eine tödliche Mischung. Früher gab es mehr Nischen, heute immer neue Doku-Reality-Soap-Formate. Jetzt kommt die Dokunovela, das ist der gleiche Mist wie alles andere, man hat nur einen neuen Namen gefunden.

Sie klingen sehr frustriert.

Kalkofe: Es ist bitter, es macht mich traurig. Wir werden für bescheuert gehalten und langsam auch bescheuert gemacht. Die Sender haben doch auch eine Verantwortung, weil ein großer Teil der Menschen sich sehr viele Informationen aus dem Fernsehen holt. Und was sich die Verantwortlichen dort nicht mehr aus den Fingern, sondern aus dem Rektum saugen, hat Einfluss auf die Gesellschaft, weil viele beginnen, das für normal zu halten.

Bereits vor Jahren hatten Sie einen Clip, in dem Sie einen Zuhälter spielten, der sagte, dienstags sei bei ihm "all you can fuck". Jetzt gibt es Flatrate-Bordelle. Wie oft folgt Ihnen die Realität?

Kalkofe: Ich bin echt sauer, das war meine Idee. Von jedem Flatrate-Puff-Pass gehört mir eigentlich ein Anteil. Aber ernsthaft, gerade bei den alten Folgen und Texten, in denen ich öfter absurde Ideen für Programme hatte, muss ich sehen: Die sind alle eingetreten, nur teilweise noch schlimmer. Kühnste Erwartungen der Satire werden von der Realität noch übertroffen. Mein TV-Höhepunkt der letzten Zeit war Uri Gellers "Ufos und Aliens". Eine sehr teure Show, bei der Nachrichten ins All gesendet werden und auf Antwort gewartet wird. Das ist das Konzept. Früher hätte das einen schlechten Sketch ergeben, aber niemand hätte geglaubt, dass das gesendet werden kann. Wieso hat da keiner in der Vorbereitung gesagt: "Tickt ihr noch richtig?"

Warum ist "Kalkofes Mattscheibe" gerade nicht im Fernsehen?

Kalkofe: Die haben momentan weder Geld noch Sendeplätze. Und Sender wie Pro Sieben haben ja auch einen Kulturauftrag (lacht). Sie müssen einen Pimperpartner für Giulia Siegel finden oder das Größte Schnitzel der Welt suchen. Da hat man Verständnis, wenn man nicht zum Zug kommt.

Bei "Kalkofes Mattscheibe" treten Sie verkleidet in die zu parodierende Sendung und imitieren dort eine Person. Wie läuft das live ab?

Kalkofe: Bei dieser Tour habe ich erstmals eine Bühnenumsetzung der Mattscheibe, ich kann mir endlich aktuelle Dinge vornehmen. Das macht mir mehr Spaß als im Fernsehen, weil es direkter ist und ich ausführlicher sein kann.

Sie treten selbst bei "Genial daneben" oder die "Hundert besten irgendwas aller Zeiten" auf. Warum muss auch Kalkofe manchmal Mist machen?

Kalkofe: Nun, "Genial daneben" mache ich sehr gerne, das macht Spaß. Es ist ein schönes Format, bei dem nichts geplant ist, und das hat seinen Reiz. Viele andere Dinge bereue ich. Diese Aufsager für Hitlisten-Sendungen habe ich, als die "Mattscheibe" auf Pro Sieben anfing, aus Promotionsgründen, nun ja, einmal machen müssen. Ich kann mich nicht allem entziehen. Und ich wünsche mir häufig, es könnte was Nettes herauskommen. Ich denke dann, Mensch, das sind doch nicht alles Idioten, mach doch ruhig auch mal was mit - und später ärgere ich mich, weil es doch furchtbar wurde und ich ohne Rücksprache in weitere Sendungen reingeschnitten werde. Wer viel macht, macht halt auch Fehler!

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