Ohne Deutsch geht gar nichts

Dass die Sprache ein Schlüssel ist, wissen auch viele Türken. Andere beklagen Vorurteile bei den Deutschen.

Wuppertal. Im Café Istanbul herrscht schon am frühen Nachmittag reger Betrieb. Aydin Sadi sitzt zusammen mit seinem Onkel Yalcin Reqp an einem der schlichten Holztische und trinkt Tee. Das Café liegt in der Wuppertaler Innenstadt, direkt neben der Moschee und dem Reisebüro "Turkish Airways". Gegenüber ist ein türkischer Supermarkt und ein türkischer Kiosk. Die Gathe ist eine der Straßen in Wuppertal, an der Türkisch gesprochen wird.

Arbeit habe er gerade keine, aber das ändere sich hoffentlich bald, meint Aydin. Integration ist dagegen nicht so sein Thema. Er habe auch deutsche Freunde und war sogar zwölf Jahre mit einer Deutschen verheiratet. Die Ehe sei aber auseinander gegangen, weil seine Schwiegereltern mit ihm nicht zurecht kamen.

Die Sprache sei oft ein Problem, vor allem für Frauen, beobachtet Café-Pächter Enver Demiral, der selbst nur gebrochen Deutsch spricht. Beim Thema Arbeit winkt er ab: Gerade in Wuppertal hätten sich die Bedingungen massiv verschärft. Früher, als die Gastarbeiter nach Deutschland kamen, habe es viel mehr Fabriken gegeben. "Die sind mittlerweile alle zu."

Man muss sich anders behelfen. Ahmed Yüksel zum Beispiel betreibt auf der anderen Straßenseite einen "Export-Laden", wie er ihn nennt. Er ist seit 1970 hier, spricht kaum Deutsch und will nur eines: zurück in die Türkei.

Ahmet Tayfun Karsligil ist 15Jahre alt und besucht die Realschule. Anfangs war es schwer für ihn. "Ich habe mit vier Jahren angefangen, Deutsch zu lernen. Meine Eltern haben nur Türkisch gesprochen." Das sei ein Fehler, den viele machten. Weil er die Sprache beherrscht, glaubt er, bei der Ausbildungsplatzsuche einmal weniger Probleme zu haben.

Hanife Akdeniz (23) dagegen glaubt, dass vor allem Vorurteile gegen Türken eine Rolle spielen. Sie habe schwer um einen Ausbildungsplatz kämpfen müssen, ihre Schwester sei schon seit Jahren erfolglos auf der Suche. Mit Integration habe das nicht viel zu tun.

Dabei pflegt Wuppertal sein Image als weltoffene Großstadt - auch aus der Erkenntnis heraus, dass es Menschen mit Migrationshintergrund sind, die der schrumpfenden Großstadt mit nur noch 350 000 Einwohnern das Überleben sichern. 50 000 Pass-Ausländer gab es 2008. Die Zahl derer, die keine deutschen Wurzeln haben, darunter Aus- und Übersiedler, liegt um ein Vielfaches höher.

Warum sich Wuppertal so sehr um seine ausländischen Mitbürger kümmert, wird bei einem Blick in die Krabbelstuben und Tageseinrichtungen deutlich. Bei den unter Dreijährigen liegt der Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund bei mehr als 50 Prozent. Wie viele davon türkischstämmig sind, wird statistisch nicht erfasst.

Es sind viele, denn wie in den meisten anderen Industriestädten bilden die Türken die größte Gruppe unter den Nichtdeutschen. Deshalb wird ihnen viel Aufmerksamkeit geschenkt. Sprachförderung steht dabei an erster Stelle. Wuppertal investierte in die Kurse bereits lange vor der ersten gesetzlichen Regelung. Rund 1000 Besucher von Kindertagesstätten nehmen an Zusatz-Sprachunterricht über das Regelangebot hinaus teil.

Mittlerweile fallen allerdings immer mehr Angebote weg. Jüngstes Beispiel: Die Arge darf kein eigenes Geld mehr in die Hand nehmen für Sprachkurse jenseits der Regelförderung.

"Dennoch steht Wuppertal besser da als viele andere Städte. Die Integrations-Politik greift", sagt Arif Izgi, Vorsitzender des Migrationsausschusses. Möglicherweise liegt das auch daran, dass Integrations-Impulse überwiegend nicht von der chronisch klammen Stadt kommen, sondern von den ausländischen Vereinen.

Der ehemalige türkische Sportverein Anadolu hat sich zu einer Bildungsinitiative der ersten Liga mit Sprachangeboten gemausert. Der türkische Elternförderverein richtete seine Landeszentrale in Wuppertal ein. Zurzeit arbeiten die Moscheevereine an der Planung des ersten muslimischen Friedhofs. "Der Bedarf ist da", hat Sozialdezernent Stefan Kühn (SPD) festgestellt. Erfolgreiche Integrationspolitik beinhaltet für ihn die komplette Bandbreite "von der Wiege bis zur Bahre".

Im Brennpunkt bleibt aber die Bildungspolitik. "Wir haben da ein Problem", sagt Jürgen Lemmer vom Ressort Integration. 34Prozent der Grundschulkinder mit Migrationshintergrund wechseln an eine Hauptschule, nur 14 Prozent besuchen ab Klasse 5 ein Gymnasium. Doch die Verhältnisse verschieben sich. Lemmer: "In der türkischen Gemeinde greift ein Bildungsbewusstsein um sich, das in anderen Gruppen längst nicht so ausgeprägt ist. Die Ergebnisse werden wir in einigen Jahren sehen."

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