Studie NRW-Bürger sehen Muslime eher positiv

Das Land mit den bundesweit meisten Muslimen ist einer Studie zufolge mehrheitlich bereit, ihnen mehr Anerkennung zukommen zu lassen.

Studie: NRW-Bürger sehen Muslime eher positiv
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Düsseldorf. Nirgendwo in Deutschland leben mehr Muslime als in Nordrhein-Westfalen. „Rund 1,5 Millionen Menschen an Rhein, Ruhr und Lippe sind muslimisch. Das ist ein gutes Drittel aller in Deutschland lebenden Musliminnen und Muslime“, sagte Landtagspräsidentin Carina Gödecke (SPD) am vergangenen Freitag zum Auftakt der Jungen Islam-Konferenz (JIK). Daher habe das friedliche Miteinander gerade hier besondere Bedeutung. Eine anlässlich der Konferenz veröffentlichte Länderstudie der Berliner Humboldt-Universität zeigt, dass die Voraussetzungen dafür nicht schlecht sind.

Danach sind rund 70 Prozent der Menschen in Nordrhein-Westfalen der Meinung, dass die Muslime mehr Anerkennung verdient haben. Drei von vier Bürgern sehen in ihnen auch keine soziale Belastung in Deutschland. Allerdings verweist die Studie darauf, dass auch in NRW negative Stereotype vorhanden sind. So hält jeder vierte der Befragten Muslime für aggressiver als sich selbst und sieht durch sie viele Dinge bedroht, die er persönlich für gut und richtig hält.

Interessant ist, dass der Anteil der Muslime an der Bevölkerung von den meisten überschätzt wird. Während er tatsächlich zwischen sieben und acht Prozent beträgt, reichen die Schätzungen bis zu 20 Prozent und teils noch darüber hinaus. Knapp die Hälfte der Muslime in NRW sind deutsche Staatsangehörige und 30 Prozent sind auch in Deutschland geboren.

Die Länderstudie des Berliner Zentrums für empirische Sozialforschung beruht auf einem 2014 bundesweit erhobenen Datensatz. Die Befragung erfolgte also vor Beginn der aktuellen Flüchtlingsdebatte; Aussagen zu deren Bewertung können daher nicht gemacht werden.

Was religionspolitische Fragen angeht, zeigt sich ein widersprüchliches Ergebnis. So spricht sich eine Mehrheit gegen die (im Übrigen auch im Judentum übliche) Beschneidung von Jungen aus. Umgekehrt sind knapp 60 Prozent aber gegen eine Beschränkung beim Bau öffentlich sichtbarer Moscheen. Eine Dreiviertel-Mehrheit befürwortet islamischen Religionsunterricht und selbst das Kopftuchtragen bei muslimischen Lehrerinnen stört eine knappe Mehrheit nicht.

Auch wenn die Kontakte der NRW-Bürger zu Muslimen unterschiedlich stark ausgeprägt sind (am häufigsten noch am Arbeitsplatz), haben die Menschen in Nordrhein-Westfalen insgesamt mehr Erfahrungen mit ihnen als im übrigen Bundesgebiet. Aber diese natürlich durch die Zahl der hier lebenden Muslime bedingten Erfahrungen führen überraschend nicht dazu, dass das Wissen über die Religion in der Eigenwahrnehmung auch steigt. 60 Prozent geben an, gar nichts oder nicht so viel über Musliminnen und Muslime zu wissen.

Klar ist, dass sich die Zahl der Muslime durch die gestiegenen Flüchtlingszahlen auch in NRW erhöhen wird. Allein 2015 wurden laut Studie in NRW 330 000 Asylsuchende aufgenommen, Mitte Juli dieses Jahres lebten hier immer noch 100 000 Flüchtlinge, die bisher gar keinen Asylantrag stellen konnten. Beim Königsberger Schlüssel, der Verteilungsquote für Asylbewerber, liegt NRW als bevölkerungsreichstes Bundesland mit gut 21 Prozent auf Platz eins. Aber umfassende statistische Daten zur Lebenslage der Asylsuchenden liegen bisher nicht vor.

Die Verfasser der Studie bescheinigen NRW, zu den Pionieren zu gehören, „was die Aufwertung und Umsetzung von integrationspolitischen Fragestellungen angeht“. Die Wurzel habe der frühere NRW-Ministerpräsident Heinz Kühn mit seinem 1979 geschriebenen Bericht als erster Ausländerbeauftragter der Bundesrepublik gelegt. Auch die Etablierung eines Integrationsministeriums um Jahr 2005 gehöre dazu.

Die Studie gibt drei Empfehlungen. Die schon bestehenden Kontaktmöglichkeiten zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen müssten vor allem qualitativ ausgebaut werden, um das Wissen übereinander zu verbessern und stereotype Auffassungen abzubauen.

Weil es gerade in Bildungsfragen noch Vorbehalte gegenüber Muslimen gebe, müssten zudem Schulen zum Ort der Begegnung werden. Dabei wird die starke Rolle von Bekenntnisschulen in NRW kritisiert, weil sie eher homogene Schülerschaften ermöglichen.

Schließlich fordert die Studie, einen oder mehrere muslimische Verbände als Religionsgemeinschaft anzuerkennen und darüber eine neue Basis für den islamischen Religionsunterricht zu schaffen.

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