Neue „Brigitte“: Eine magere Revolution

Die Frauenzeitschrift präsentiert Mode nicht mehr mit dürren Models – und will damit den Schlankheitswahn bekämpfen.

Hamburg. Sie sieht aus wie immer - dabei sollte die jüngste Ausgabe der "Brigitte" doch den "Beginn einer neuen Zeitrechnung" markieren. So jubilieren jedenfalls ihre Chefredakteure Andreas Lebert und Brigitte Huber. Denn die Frauenzeitschrift verzichtet in ihren Fotostrecken auf dürre, professionelle Models. Stattdessen führen Laien - eine Lehrerin, eine Verkäuferin, eine Künstlerin, eine Buchhändlerin und Studentinnen - Modetrends vor.

Denn das Verhältnis von Frauen und Mode hat sich laut Lebert revolutionär gewandelt: Sie wollten keine Rollenbild mehr vorgesetzt bekommen, sondern sich selbst entwerfen. Im Oktober hat er den Richtungswechsel angekündigt, die Resonanz war riesig: 20000 Frauen haben sich für eine Fotoproduktion beworben, für die sie laut Verlag das übliche Honorar bekommen.

Das Ergebnis ist seit Samstag zu besichtigen - und fällt erstaunlich knochig aus. Die Frau, die vom Titelblatt lächelt, könnte mit ihrem ebenmäßigen Gesicht, den langen blonden Haaren und den vollen Lippen gut ein Model sein, nur ein kleiner Hinweis unten rechts weist sie als Amateurin aus.

Beim Umblättern geht es richtig los - strahlende Frauen mit einer Menge Pfunde und Falten. Tja, das ist allerdings nur eine neue Variante der "Dove"-Anzeigenkampagne. Die Redaktion geht diskreter vor. Wer den Modeteil durchblättert, wird nur auf einzelnen Seiten mal einen Bauchansatz oder runde Hüften bemerken. Dennoch war man intern wohl so begeistert, dass diese Fotostrecken gar nicht mehr aufhören: Mode auf Capri mit Franca, später auch mit Chiara, Letizia und Giusy, Mode in Afrika mit Marlies und Jörg, Mode auf Island mit Didda, Stylisches aus Berlin mit sechs Jungschauspielern. Da bleibt nicht mehr viel Platz für die Reportagen und Hintergründe, die sonst den Auftritt der Zeitschrift prägen.

Stutzig macht zudem, dass die Zeitschrift zwar ein neues Selbstbewusstsein von Frauen propagiert, dazu aber die jüngste "Brigitte"-Diät serviert - mit dieser Tradition zum Jahrenanfang wollte man nicht brechen. Deshalb muss die Redaktion im Editorial herumschwurbeln, dass die "köstlichen Rezepte zum Abnehmen" nicht in den Schlankheitswahn führen, sondern natürlich der Gesundheit dienen.

Eine schöne, ja sogar revolutionäre Idee hat man bei der "Brigitte" ausgeheckt. Es macht auch nichts, dass sie damit ihrer schwächelnden Auflage entgegenwirken will. Das Problem aber bleibt: Eine Revolution muss man sehen, sonst hungert sie sich selbst aus.

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