Natalie Dedreux „Mein Leben mit Down-Syndrom ist cool“

Düsseldorf/Köln · Natalie Dedreux (20) erklärt, warum sie dagegen ist, dass die Krankenkassen Schwangeren den Bluttest auf Trisomie 21 bezahlen. Gedanken einer jungen Frau, die in der Debatte des Bundestages um das Pro und Kontra eine Rolle spielen werden.

 Die 20-jährige Natalie Dedreux am Laptop und bei einem Besuch von Kanzlerin Merkel im Juli 2018 an ihrem Arbeitsplatz in Köln.

Die 20-jährige Natalie Dedreux am Laptop und bei einem Besuch von Kanzlerin Merkel im Juli 2018 an ihrem Arbeitsplatz in Köln.

Foto: Down-Syndrom/Down-syndrom

„Mein Name ist Natalie Dedreux und ich bin 20 Jahre alt. Ich habe das Down-Syndrom. Das Down-Syndrom ist keine Krankheit. Wir haben ein Chromosom zu viel. Wir haben 47 Chromosomen, ihr anderen habt 46 Chromosomen.“

Mit diesen Worten stellt sich eine junge Frau auf ihrer Internetseite vor. Eine Frau, die es im Herbst 2017 zu einiger Medienberühmtheit gebracht hat, als sie in einer Fernsehdiskussion Bundeskanzlerin Angela Merkel mit diesen Sätzen konfrontierte: „Neun von zehn Babys mit Down-Syndrom werden in Deutschland nicht geboren. Sie werden abgetrieben. Ich finde es politisch nicht gut. Dieses Thema ist mir wichtig: Ich will nicht abgetrieben werden, sondern auf der Welt bleiben.“ Die Kanzlerin war sichtlich beeindruckt. So sehr, dass sie Natalie knapp ein Jahr später in Köln besuchte.

Mittlerweile bezeichnet sich Natalie Dedreux als Aktivistin. Und das Ziel, für das sie kämpft, ist in diesen Tagen hochaktuell. Der Bundestag wird Anfang April über die Frage debattieren: Ist es richtig, dass die gesetzlichen Krankenkassen den 130 bis 150 Euro teuren Bluttest einer Schwangeren bezahlen? Den Test, mit dem sie feststellen will, ob das im Mutterleib  heranwachsende Kind Trisomie 21, das Down-Syndrom, hat?

Ich habe Angst, dass es weniger Menschen mit Down-Syndrom geben wird

Eine parteiübergreifende Initiative hat das Thema für eine sogenannte Orientierungsdebatte auf die Tagesordnung gesetzt. Es wird eine sehr ernste ethische Diskussion werden. Und Natalie Dedreux flankiert diese nun durch eine von ihr angestoßene Onlinepetition. Darin fordert sie Unterstützer ihres Anliegens (bis Freitag waren es bereits mehr als 10.000) auf, ihr politisch zu helfen. Sie schreibt dort: „Mein Leben mit Down-Syndrom ist cool. Aber ich habe Angst, dass es weniger Menschen mit Down-Syndrom geben wird, wegen dem Bluttest bei schwangeren Frauen auf Down-Syndrom. Ich will nicht, dass die Krankenkasse den Bluttest bezahlt.”  Und weiter: „Ich glaube, die wollen uns nicht haben, weil die Angst haben. Ich verstehe nicht, warum Angst da ist. Ich finde das schlimm, weil es sonst weniger Menschen mit Down-Syndrom auf der Welt gibt. Also ich finde es wichtig, dass es Menschen mit Down-Syndrom auf der Welt gibt.“

 Bundeskanzlerin Angela Merkel (l, CDU) besucht das Caritas Zentrum Kalk und spricht mit Natalie Dedreux.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (l, CDU) besucht das Caritas Zentrum Kalk und spricht mit Natalie Dedreux.

Foto: nein/Oliver Berg

Auf eben diesen Aspekt haben auch die Politiker aus verschiedenen Parteien aufmerksam gemacht, als sie die Debatte im Bundestag durchsetzten. Sie argumentieren, „dass sich immer mehr werdende Eltern für solche Tests entscheiden, sollten sie als Regelversorgung etabliert werden. Und dass damit diejenigen immer stärker unter Rechtfertigungsdruck geraten, die sich gegen einen Test und gegebenenfalls für die Geburt eines Kindes mit Down-Syndrom entscheiden“.

Praktikum beim Deutschlandfunk gemacht

Wir haben bei Natalie Dedreux nachgefragt,  was sie sich von der anstehenden Bundestagsdebatte erhofft. Die junge Frau beschreibt zunächst ihre persönliche Situation: „Ich arbeite in Köln in der Caritas Wertarbeit im  Berufsbildungsbereich,  und da mache ich mal den Service und bügle auch mal die Wäsche und spüle auch.“ Sie mache auch ein Praktikum beim Deutschlandfunk. „Da gibt es Nachrichten in leichter Sprache, die ich verstehen kann und auch dazu recherchieren kann, weil Nachrichten wichtig sind und was auch in der Welt los ist und auch, was da ab geht.“ Sie wolle auch weiter bei „Ohrenkuss“ arbeiten. „Das ist ein Magazin, wo nur Menschen mit Down-Syndrom schreiben. Zum Beispiel über Ozeane, zum Thema Ukraine, über das Thema Baby und über die Schweiz.“ Auch über ihre Zukunft hat Natalie konkrete Vorstellungen: „Ich möchte mit 33 Jahren in Zukunft meinen Freund heiraten.“

 Die Online-Petition habe sie gestartet, „weil ich mich stark machen will für Menschen mit Down Syndrom. Und zu zeigen, wie cool wir drauf sind und wie es Menschen mit Down-Syndrom so in ihrem eigenen Leben geht.“  Wie meint sie den Satz in ihrer Onlinepetition „Ich glaube die Menschen wollen uns nicht, da die Angst haben“? Natalie Dedreux dazu: „Die schwangeren Frauen glauben, wie das Leben sein wird mit einem Kind mit Down-Syndrom. Davor haben sie Angst.“ Im täglichen Leben, so sagt sie, „sind alle nett zu mir, aber was auch wichtig ist, wenn ich im Fernsehen bin, dass man für mich auch großen Respekt hat. Oder wenn ich was auf Instagram und auf Facebook posten möchte,  dann muss man auch Respekt vor mir haben, und dann wird man auch ernst genommen, und es ist auch toll, vor allen ein großes Vorbild sein.“

„Es war mutig, was ich gemacht habe“

Warum die Kanzlerin sie in Köln besuchte, weiß Natalie sehr wohl: „Was ich da im Fernsehen gemacht habe, war auch mutig von mir. Und die Frau Merkel ist auch deswegen auf mich zugekommen,  weil sie schlucken musste, weil das eine persönliche und eine mutige Frage war. Und ich wiederhole, es sollen keine Menschen mit Down-Syndrom vor der Geburt einfach aussortiert werden.“

Ob sie denn verstehen können, dass viele nun den von den Krankenkassen finanzierten Bluttest zur Feststellung von Down-Syndrom fordern. Und was sagt sie Frauen, die einen solchen Test machen möchten?  Natalie Dedreux: „Hauptsache, die machen nach dem Test keinen Abbruch. Die Untersuchung finde ich nicht gut, weil es sonst weniger Menschen mit Down-Syndrom gibt. Am besten soll man Frauen beraten, über das Leben mit Down-Syndrom. Mit weniger Angst brauchen die keinen Test auf Down-Syndrom mehr zu machen.“

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