Nach Orkan „Zeynep“ Nächstes Sturmtief „Antonia“ steht in den Startlöchern

Berlin · Das nächste Sturmtief ist bereits für Sonntag angekündigt. Dieses Mal sollen die Sturmböen aber weniger heftig werden.

 Vielerorts hat „Zeynep“ Schäden hinterlassen.

Vielerorts hat „Zeynep“ Schäden hinterlassen.

Foto: ZB/Matthias Bein

Orkantief „Zeynep“ hat zum Start ins Wochenende für Sturmfluten, Straßenunfälle und Ausfälle im Bahnverkehr gesorgt. Mindestens drei Menschen starben wegen des Sturms. Die Feuerwehren zählten Tausende Einsätze, meist wegen umgestürzter Bäume, umherfliegender Gegenstände oder beschädigter Gebäude - allein in Nordrhein-Westfalen rückten sie bis Samstagmittag zu über 12 000 Einsätzen aus.

Nach einer ersten Schätzung verursachte „Zeynep“ versicherte Schäden von über 900 Millionen Euro. Der Sturm sei der intensivste seit „Kyrill“ im Jahr 2007 gewesen, teilte die auf Versicherungsmathematik spezialisierte Unternehmensberatung Meyerthole Siems Kohlruss (MSK) mit. Die versicherten Schäden des vorangegangenen Sturms „Ylenia“ hatte das Unternehmen auf 500 Millionen Euro geschätzt. Die Gesamtschäden sind bei Stürmen in aller Regel höher, zum Teil ganz erheblich.

Zu den mindestens drei Sturmtoten zählte ein 17-Jähriger, der in Hopsten (NRW) als Beifahrer starb. Der Fahrer des Wagens war nach Polizei-Angaben möglicherweise einem Ast ausgewichen und dadurch von der Fahrbahn abgekommen. Das NRW-Innenministerium zählt ihn daher nach vorläufigen Erkenntnissen als Sturmtoten. Ein 56 Jahre alter Autofahrer starb nach Angaben der Polizei bei Altenberge in NRW, als er mit dem Auto gegen einen quer auf der Fahrbahn liegenden Baum prallte. In der niedersächsischen Gemeinde Wurster Nordseeküste verunglückte ein Mann tödlich, als er während des Sturms das beschädigte Dach eines Stalls reparieren wollte. Der 68-Jährige brach nach Polizeiangaben durch das Dach und stürzte rund zehn Meter in die Tiefe.

Wegen des Sturms war der Zugverkehr am Freitag teilweise eingestellt worden, die Ausfälle hielten am Samstag zunächst vielfach an. „Aufgrund von Unwetterschäden kommt es im Norden Deutschlands und in Nordrhein-Westfalen bis mindestens Montagnachmittag zu Verspätungen und Zugausfällen“ teilte die Deutsche Bahn am Nachmittag mit und forderte dazu auf, Reisen von und nach Hamburg und Bremen zu vermeiden. Demnach sollten am Samstag bis mindestens 18 Uhr keine Fernverkehrszüge nördlich von Dortmund, Hannover und Berlin fahren. Bis dahin sollten auch ICE-Züge auf der Strecke Köln - Hannover - Berlin ausfallen, genau wie ICE-Züge zwischen Kassel-Wilhelmshöhe und Berlin.

Am Samstag schwächte der Wind etwas ab, vor allem im Norden gab es aber noch Sturmböen. Am Sonntag gibt es tagsüber laut Deutschem Wetterdienst (DWD) im Flachland zunächst eher starke bis stürmische Böen. „Richtig turbulent und mitunter auch gefährlich könnte es dann in der Nacht zum Montag werden“, sagte Adrian Leyser von der Wettervorhersagezentrale des DWD zum nahenden Sturmtief „Antonia“. Schwere Sturmböen oder orkanartige Böen seien nicht ausgeschlossen. „Die ohnehin durch die vorangegangenen Stürme in Mitleidenschaft gezogenen und in teilweise stark aufgeweichten Böden stehenden Bäume können dabei leicht umstürzen“, sagte Leyser. Erst ab Dienstag soll sich das Wetter beruhigen.

„Zeynep“ hatte Deutschland ab Freitagnachmittag mit Windgeschwindigkeiten von örtlich mehr als 160 Stundenkilometern überquert. Der höchste Wert wurde in der Nacht zum Samstag mit rund 162 Kilometern pro Stunde am Nordsee-Leuchtturm „Alte Weser“ gemessen, wie der DWD mitteilte. Am Vormittag hob der DWD alle Unwetterwarnungen vor Orkanböen auf.

In Hamburg hatte es am Samstagmorgen erstmals seit 2013 wieder eine sehr schwere Sturmflut mit mehr als 3,5 Metern über dem mittleren Hochwasser gegeben. Die Elbe erreichte gegen 5.30 Uhr am Pegel St. Pauli nach Angaben des Bundesamts für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) 3,75 Meter über dem mittleren Hochwasser. Feuerwehrleute retteten in der Speicherstadt mit einem Schlauchboot zwei Männer, die mit ihrem Auto vom Wasser eingeschlossen waren. Laut Polizei waren die Männer stark unterkühlt. Nachdem das Wasser vormittags sank, sollte das Abendhochwasser eine weitere Sturmflut bringen.

In Bremen stürzte ein 55 Meter großer Baukran in ein im Rohbau befindliches Bürogebäude. „Es sieht verheerend aus“, sagte ein Feuerwehrsprecher. Auch ein vorbeifahrender Laster sei in der Nacht auf Samstag von dem Kran erwischt worden. Der Fahrer sei unverletzt geblieben. In Hamburg stürzten bei einem viergeschossigen Wohnhaus Teile der Fassade ein. In Bad Zwischenahn (Niedersachsen) kippte eine rund neun Meter hohe Fichte um und fiel auf ein Klinikgebäude. 17 dort untergebrachte Patienten wurden laut Feuerwehr in Sicherheit gebracht. Verletzt wurde den Angaben zu Folge niemand.

In Gronau bei Hildesheim (Niedersachsen) wehte der Sturm eine rund 80 Kilogramm schwere Kupferplatte von einem Kirchturm. Sie sei etwa 80 Meter weiter in ein Haus eingeschlagen, sagte ein Sprecher der Feuerwehr. Einige Kilometer entfernt, auf der Autobahn 7 bei Hildesheim, fiel nach Angaben der Polizei am Freitagabend eine Verkehrstafel wegen des Sturmes auf die Fahrbahn. Ein Sattelzugfahrer habe nicht mehr ausweichen können und sei über die Hindernisse gefahren. Dabei riss der Tank auf und 400 Liter Diesel-Kraftstoff ergossen sich über die Fahrbahn. In Thüringen warf „Zeynep“ die nach lokalen Angaben höchstgelegene Bockwindmühle Deutschlands (438 Meter über dem Meeresspiegel) um.

In den Häfen in Emden und Wilhelmshaven mussten mehrere Schlepper die größeren Schiffe sichern, sagte ein Sprecher der Wasserschutzpolizei. Die Fehmarnsundbrücke, die die Insel Fehmarn in der Ostsee mit dem Festland verbindet, wurde gesperrt. Zuvor waren in der Nacht zwei Laster umgekippt. Ein Fahrer wurde dabei verletzt. In Nordrhein-Westfalen wurde die Rheinbrücke Emmerich bis auf weiteres gesperrt.

Die Nordseeinsel Wangerooge büßte im Sturm etwa 90 Prozent ihres Badestrandes ein. „Auf einer Länge von einem Kilometer gibt es kaum noch Sand“, sagte Wangerooges Inselbürgermeister Marcel Fangohr. Auch auf der ostfriesischen Insel Langeoog wurde der Strand beschädigt. „In Teilen ist gar kein Strand mehr da, die Abbruchkante geht bis zu den Dünen“, sagte Inselbürgermeisterin Heike Horn.

In anderen europäischen Ländern sorgte „Zeynep“ ebenfalls für Schäden, teils schon am Freitag: In den Niederlanden gab es vier Todesopfer wegen des Sturms - drei wurden von umfallenden Bäumen getroffen, ein Autofahrer starb bei der Kollision mit einem umgestürzten Baum. Großbritannien meldete drei Todesopfer. Auf der Isle of Wight im Süden von England wurden Windgeschwindigkeiten von 196 Stundenkilometern gemessen, was dort als Rekord gilt. In Irland starb ein Mann infolge des Orkantiefs.

In Deutschland war „Zeynep“ das zweite Orkantief innerhalb weniger Tage. Zuvor hatte „Ylenia“ ab Mittwochabend zu Tausenden Einsätzen geführt. Mindestens drei Autofahrer in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt waren bei wetterbedingten Unfällen gestorben.

(dpa)
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