Missbrauchsprozess: Ermittlungen gegen Jugendamt

Koblenz (dpa) - Hinweise auf Schläge, Züchtigungen, Kindesmissbrauch: Über Jahre taucht die Familie eines 48-Jährigen aus Fluterschen im Westerwald immer wieder in den Akten des Jugendamtes auf.

Im Missbrauchsprozess gegen den Familienvater berichten am Mittwoch vor dem Koblenzer Landgericht vier Mitarbeiter des Jugendamtes Altenkirchen von Gesprächen, Hausbesuchen und eingestellten Strafverfahren. Der erste Akteneintrag stammt von 1998 - dennoch kommt der Fall erst im Sommer 2010 ans Licht.

Seit Mitte Februar muss sich der Mann wegen sexuellen Missbrauchs seiner Tochter sowie zweier Stiefkinder in 350 Fällen verantworten. Den Missbrauch der Tochter hat er zugegeben - ebenso die Vaterschaft für sieben Kinder seiner Stieftochter. Laut Anklage soll der Mann die beiden Mädchen für Sex an fremde Männer verkauft haben - hier komme der Straftatbestand „Beihilfe zur sexuellen Nötigung“ in Betracht, sagt der Staatsanwalt.

Nach mehreren Anzeigen ermittelt die Anklagebehörde nun auch formal gegen Mitarbeiter des Jugendamtes. Geprüft wird, ob in dem Amt Fehler gemacht wurden. „Es handelt sich um ein förmliches Verfahren“, betont der Staatsanwalt. Es ändere nichts am Ergebnis einer ersten Untersuchung. Diese hatte ergeben, dass weder der Mutter der Opfer noch dem Jugendamt strafrechtlich relevante Vorwürfe gemacht werden könnten.

Aus den Jugendamtsakten geht unter anderem hervor, dass die Stiefkinder 1998 der Polizei gesagt hatten, sie wollten weg von den Eltern. Als Sozialarbeiter die beiden daraufhin in Obhut nehmen wollten, weigerten sie sich jedoch. „Wir standen ratlos da. Plötzlich war alles anders“, sagt der Jugendamtsleiter. Gegen ihren Willen habe er die Jugendlichen nicht mitnehmen können, sie seien vor seinen Augen den Eltern um den Hals gefallen.

2002 bekam das Jugendamt erneut Hinweise auf Gewalt und auch auf sexuellen Missbrauch in der Familie. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft dazu wurden eingestellt, unter anderem hatte ein Arzt die Kinder untersucht und keine Anzeichen auf Missbrauch entdeckt. 2008 habe die Stieftochter von sich aus Hilfe beim Jugendamt beantragt, berichtet eine andere Behördenmitarbeiterin. Der Vater war nach ihrer Einschätzung eher dagegen. „Er wollte keine fremden Leute im Haus haben.“

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