Millionen Briten müssen frieren

Viele Rentner können sich keine warme Wohnung mehr leisten.

London. Je länger sich der Winter auf der Insel hält, desto größer wird die Not. "Schon im vergangenen Jahr hatten wir wegen der anhaltend niedrigen Temperaturen die höchste Winter-Sterberate seit mehr als zehn Jahren", sagt Lesley Tudor von der National Energy Action, einer Hilfsorganisation für Menschen, die sich kein warmes Heim leisten können.

Fünf Millionen Briten leiden an sogenannter Energiearmut, jeder Zweite ist älter als 65 Jahre. Ihnen bringt die kalte Wohnung den Tod: Rund 40 000 Senioren sind nach Angaben des britischen Statistikamtes vergangenen Winter an direkten oder indirekten Frostfolgen gestorben. Diese grimmige Zahl könnte im aktuellen Winter, der England Kälterekorde beschert, noch deutlich dramatischer ausfallen.

"Die Situation ist schockierend", sagt Tudor, "vor allem, weil es sich um ein lösbares Problem handelt." Doch die Labour-Regierung müht sich seit Jahren nur mäßig erfolgreich mit der Heizkrise ab. Hoffnungen, die Energiearmut einzudämmen, hat die jüngste Kostenexplosion bei den Stromanbietern zunichte gemacht. Dabei hatte sich die Lage Ende der neunziger Jahre durch staatliche Heizkostenzuschüsse entspannt. Zwei harte Winter in Folge, dazu die Wirtschaftskrise, lassen die Zahl der Bedürftigen jedoch erneut nach oben schnellen.

"Die Heizkosten sind seit 2003 um 150 Prozent gestiegen", sagt Tudor. Dabei zahlen ausgerechnet die Armen und Rentner ohnehin schon die teuersten Tarife. Viele Sozialhilfeempfänger sind gezwungen, Prepaid-Zähler zu nutzen, für die sie - ähnlich wie bei einem Handy - eine Karte zum Aufladen von Heizguthaben bekommen.

Deutlich billiger sind jedoch Online-Tarife oder Verträge mit Einzugsvollmacht - Optionen, die für viele Rentner oder Arbeitslose einfach nicht umsetzbar sind.

Wer obendrein nur die Einheitsrente von 400 Euro monatlich bezieht, dem nutzt auch die staatliche Senioren-Zulage von 130 Euro pro Winter nicht viel. Die Konsequenz: Gerade Ältere sparen zu Gunsten der Heizung am Essen oder nehmen in Kauf, dass sie wochenlang frieren. "Damit setzen sie viel aufs Spiel", sagt Tudor, "denn die Kälte verschärft Vorerkrankungen und erhöht die Wahrscheinlichkeit für Herzinfarkte, Schlaganfälle, Stürze und Depressionen."

Um 20 Prozent ist die Zahl der Toten vergangenen Winter in Großbritannien angestiegen - mehr als in jedem anderen Land Westeuropas. Schuld an der Heizmisere sind jedoch nicht nur niedrige Renten und hohe Energiekosten, sondern auch die schlechte Bausubstanz der Häuser. Doppelverglasung und Wärmedämmung sind auf der Insel noch immer weitgehend unbekannt.

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