Milch mit krebserregenden Pilz verseucht

Hannover/Berlin (dpa) - Tausende Bauern haben Futtermittel mit krebserregendem Mais aus Serbien erhalten. Am stärksten betroffen ist Niedersachsen mit 3500 Höfen, wie das Landwirtschaftsministerium in Hannover mitteilte.

Fressen Kühe das Futter mit dem Schimmelpilzgift Aflatoxin B1, reichert sich der Stoff in der Milch an. Hunderte Milchbetriebe wurden gesperrt. Eine Gesundheitsgefahr für Menschen sieht das Bundesinstitut für Risikobewertung bei den gegenwärtig festgestellten Konzentrationen aber nicht.

Weitere Untersuchungen der Länderbehörden sollen Klarheit über das Ausmaß der Belastungen bringen. Informationen über betroffene Betriebe, Mengen und Untersuchungsergebnisse liefen im Lagezentrum des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) zusammen, teilte das Bundesverbraucherministerium am Freitag nach einer Telefonschaltkonferenz mit den Ländern mit. Die Länder sind für die Kontrollen zuständig. Weitere Tests würden erwartet. Das Bundesverbraucherministerium hatte die Länder bereits im Herbst wegen möglicher Belastungen von Mais gewarnt.

Erst vor zwei Wochen war in Rindfleischprodukten europaweit Pferdefleisch entdeckt worden. Kurz darauf wurde bekannt, dass Millionen Eier als Freiland- und Bio-Eier verkauft worden sein sollen, obwohl die Produzenten die Richtlinien nicht einhielten. Den vergifteten Mais aus Serbien haben nach ersten Erkenntnissen außer Kühen auch Schweine und Geflügel zu fressen bekommen.

Wie der serbische Agrarexperte Vladimir Pekic der Nachrichtenagentur dpa sagte, hat ein unabhängiges Labor in Serbien vergangene Woche in Milch mehrerer Marken erhöhte Aflatoxin-Werte festgestellt. Sie stammten von einem Schimmelpilz, der Mais befällt. Dieser habe sich im Sommer 2012 in Serbien verbreitet.

In Niedersachsen gab es nach Angaben des Agrarministeriums den ersten Hinweis auf den neuen Skandal bei einer Routinekontrolle im ostfriesischen Leer. Dort war der Grenzwert von 50 Nanogramm Aflatoxin pro Kilogramm Milch leicht überschritten. Die Behörden recherchierten und ermittelten eine Schiffsladung von 45 000 Tonnen Mais aus Serbien als Ursprung der Belastung. Der Mais war über einen Hamburger Importeur im niedersächsischen Hafen Brake angekommen. Davon gelangten 10 000 Tonnen in Umlauf, die von 13 niedersächsischen Herstellern zu Mischfutter verarbeitet wurden.

Beliefert wurden Ende vergangenen Jahres nach Ministeriumsangaben 3560 Bauernhöfe in Niedersachsen, vor allem im Nordwesten. Insgesamt geht es um knapp 14 000 Lieferungen bis zum 25. Februar. In geringen Mengen sind auch andere Bundesländer betroffen: in Sachsen-Anhalt 22, in NRW 15, in Schleswig-Holstein 11, in Mecklenburg-Vorpommern 9, in Rheinland-Pfalz 2 Betriebe. In Niedersachsen war bislang eine Probe positiv. Sachsen gab unterdessen Entwarnung für einen Schweinemastbetrieb.

Ins Visier der Kontrolleure kamen vor allem die 938 belieferten Milchbetriebe, die gesperrt wurden. „Aflatoxine sind besonders gefährlich in der Milch. Sie setzen sich nicht in Fleisch ab, nicht in Eiern“, sagte Landwirtschafts-Staatssekretär Udo Paschedag. Seit Freitag wird die Milch in allen mit belastetem Futter belieferten Betrieben kontrolliert. Sollte der Höchstwert überschritten werden, bleibt die Sperre bestehen und die Betriebe müssen auf anderes Futter umstellen. Nach einer Woche geben die Tiere nach wissenschaftlichen Erkenntnissen keine bedenklich belastete Milch mehr.

Eine Gefahr für Verbraucher sei unwahrscheinlich, da sich die Milch von verschiedenen Höfen vermische, wenn die Molkereien sie abholten, erklärte die Leiterin der Verbraucherschutzabteilung im Ministerium, Heidemarie Helmsmüller. „Hier haben wir im Moment keine Anzeichen für eine Gesundheitsgefährdung des Verbrauchers“, sagte auch der Präsident des Bundesinstituts für Risikobewertung, Andreas Hensel. Aus den Konzentrationen, um die es im Moment gehe, entstehe erstmal keine akute Gesundheitsgefährdung. Die Unterscheidung sei: „Ist diese Milch handelbar oder nicht handelbar?“, sagte der Experte.

Bio-Betriebe sind wohl nicht von dem Skandal betroffen. „Der Mais war nicht bio-zertifiziert“, sagte ein Sprecher des Hamburger Importeurs Alfred C. Toepfer International der „taz.die tageszeitung“ (Samstag). Über das Hamburger Unternehmen war der Mais aus Serbien nach Niedersachsen geliefert worden.

Für den neuen niedersächsischen Landwirtschaftsminister Christian Meyer (Grüne) ist es nach Pferdefleisch und falsch deklarierten Bio-Eiern die dritte Lebensmittel-Affäre kurz nach Amtsantritt. Warum die Belastung des Futtermaises bei Eigenkontrollen der Industrie nicht auffiel, war zunächst unklar. Von kriminellen Machenschaften geht Meyers Staatssekretär Udo Paschedag derzeit nicht aus. Er sieht das Problem beim Preisdruck nach dem Motto: „Je billiger, desto schöner“.

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