Menschenscheiben von Gunther von Hagens

Ethik: Mit einer neuen Geschäftsidee bricht der Leichenpräparator wieder ein Tabu. Nun rudert er zurück.

Guben. Er wollte Menschen in Stücken verkaufen. Eine Scheibe präparierten Bauch für 350 Euro, ein bisschen Kopf, Hals, Rumpf, Beine oder Arme für 1800 Euro. Auch Genitalien sollten ab April für jedermann zu haben sein, die Preisliste, hieß es, sei schon gedruckt. Doch jetzt zieht Gunther von Hagens seine neueste Geschäftsidee, mit der er vor Tagen ein weiteres Tabu gebrochen hat, zurück. In einem offenen Brief gibt der "Plastinator" zu, sich damit vergaloppiert zu haben, Menschen postum als Kunstwerke verscherbeln zu wollen.

Der 63-Jährige selbst nennt sich "Plastinator" und seinen neuesten Coup "Kunst". Längst sind die Zeiten vorbei, in denen er sich fast täglich für seine Schau "Körperwelten" rechtfertigen musste. Vorbei damit auch die Zeiten, in denen er argumentierte, medizinischen Laien ein anatomisches Grundwissen vermitteln zu wollen. Inzwischen sprach er gegenüber "Spiegel-Online" ganz offen von Kniescheiben in Glasvitrinen und Handknochen in Bilderrahmen, von Anatomiekunst, und das für Wohnzimmer und Büro. "Mein Anwalt in den USA will zum Beispiel unbedingt eine Ellenbogenscheibe haben - als Erinnerung an unsere Vergänglichkeit", sagte er dem Magazin.

Seine Kunden sollten allerdings "mit den Präparaten in angemessener Weise umgehen", mahnte von Hagens, der selbst beharrlich Zündstoff für Ethik-Debatten liefert. Und freilich gab er nun erneut Einblick in seine Fantasie, als er sagte, für was seine "Präparate" nicht gedacht seien: "Eine Urinblase als Vase, ein Magen als Karnevalsmaske, ein Penis mit Hoden als Revolver oder ein Bein als Golfschläger". Dass er die Kontrolle über die Verwendung der Leichenteile mit deren Verkauf aus der Hand gibt, sah von Hagens nun ein. Es sei "schwierig, die Merkmale eines qualifizierten Nutzers eindeutig zu bestimmen", schrieb er. Eine Abgabe menschlicher Plastinate könne deshalb nach wie vor "nur an etablierte, öffentlich anerkannte Lehr- und Forschungsinstitutionen in Frage kommen".

Dabei hatte sich der Mediziner schon alles genau ausgemalt: In seinem als "Menschensägewerk" verschrienen "Plastinarium" im brandenburgischen Guben wollte er die anatomischen Kunstwerke herstellen. 8500 noch lebende Menschen hätten ihm ihre sterblichen Überreste schon versprochen, hieß es. Die meisten kämen aus Nordrhein-Westfalen. Die hätte er wohl auch gebraucht. Immerhin, so hatte von Hagens bereits kalkuliert, müsste er im Jahr 350 Tote in Stücke schneiden - unter 150 000 verkauften Menschenscheiben würde sich das Geschäft einfach nicht lohnen.

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