Matthias Steiner: Medaillenfavorit mit Diabetes

Porträt: Die Bundeswehr hat Matthias Steiner ausgemustert. Nun stemmt der Gewichtheber seine Karriere allein.

Leimen/Bonn. Matthias Steiner gehört zu den stärksten Männern der Welt. Der Gewichtheber wurde im April Europameister im Reißen. Am Wochenende avancierte Steiner mit gestemmten 451 Zweikampf-Kilo (201 im Reißen sowie 250 im Stoßen) zum Goldfavoriten für die Olympischen Spiele in Peking.

Als Jugendlicher begann der gebürtige Österreicher mit dem Gewichtheben und hatte rasch Erfolg. Genau an seinem 18. Geburtstag traf ihn die Diagnose "Diabetes Typ 1". Doch er ließ sich davon nicht lange niederdrücken, sondern stemmte weiter Hanteln.

"Meine Siegermentalität hat mir zu einem neuen Leben verholfen", sagt er heute. In seinem Sport fühlt sich der 25-Jährige durch die Krankheit nicht eingeschränkt, auch wenn er mehrmals täglich Insulin spritzen muss: "Manchmal ist es lästig, nur des Blutzuckerspiegels wegen essen zu müssen, obwohl man keinen Hunger hat."

Für die Bundeswehr ist der Gewichtheber-Star, der seit Januar die deutsche Staatsangehörigkeit hat, allerdings untauglich. "Ich habe mich um eine Stelle als Sportsoldat beworben und bin beim Medizin-Check ausgemustert worden", erzählt der 146-Kilo-Mann.

Damit wollte Steiner seine sportliche und finanzielle Zukunft für die nächsten Jahre sichern. Er hat wenig Verständnis dafür, dass ihm die Bundeswehr-Mediziner vorhielten, er wäre zu dick: "Mein Argument, dass ich als Gewichtheber im Superschwergewicht Leistungssport betreibe, wurde zunächst gar nicht beachtet." Letztlich sei er jedoch wegen Diabetes abgelehnt worden.

Das bestätigt Conrad Flachsbarth, Pressesprecher des Streitkräfteamtes. Die Bundeswehr hätte Matthias Steiner grundsätzlich gern in einer ihrer Sportfördergruppen gehabt, sagt er. Doch eine Krankheit wie Diabetes sei ein "Kill-Faktor" für die Tauglichkeit, das Risiko grundsätzlich zu hoch.

Nun muss Steiner sehen, wie er seine Gewichtheber-Karriere stemmt. Er wohnt wegen der guten Trainingsbedingungen beim Bundesleistungszentrum in Leimen, lebt aber hauptsächlich von der Unterstützung seines Heimatvereins Chemnitzer AC, der über Sponsoren ein Auto und ein Monatssalär stellt. Außerdem wird er von der Deutschen Sporthilfe gefördert.

Doch Steiner hat schon größere Krisen gemeistert. Nach Differenzen mit dem österreichischen Verband und aus Liebe zu seiner Frau Susann aus Zwickau kam er 2005 nach Deutschland. Doch vor einem Jahr starb seine Frau bei einem Verkehrsunfall. Als er Europameister wurde, trug Steiner ihr Foto bei sich: "Sie hat mir geholfen."

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