Massenpanik als Experiment

Forscher der Uni Wuppertal proben mit Studenten die Evakuierung der Düsseldorfer Arena.

Düsseldorf. Was passiert, wenn es bei einer Großveranstaltung zu einer Massenpanik kommt? Wie kommt man rechtzeitig heraus, wenn alle gleichzeitig zu den Ausgängen drängen oder die Fluchtwege versperrt sind?

Das haben Brandschutz-Experten der Universität Wuppertal jetzt zwei Tage lang in der Düsseldorfer LTU-Arena getestet - mit rund 350 Studenten und der Hilfe des Supercomputing Centers des Forschungszentrums Jülich. Es ist das weltweit bislang größte Versuchsprogramm zur Evakuierungsproblematik.

"Das Ziel des Experiments ist die Erstellung eines computergestützten Evakuierungprogramms", sagt Bauingenieur Stefan Holl. Um eine "schneller-als-Echtzeit"-Simulation der Räumung zu erstellen, werten die Wissenschaftler vom Forschungszentrum Jülich und der Universität Wuppertal die Bewegungsströme von flüchtenden Menschen aus.

"Innerhalb einer Minute rechnet das Programm aus, wo es in den nächsten 15 Minuten zu Staus und Engpässen kommen wird. Das wird an die Einsatzleitung weitergegeben, die dann die Sicherheitskräfte zu den neuralgischen Stellen leiten kann", sagt Holl.

Dafür lassen sich rund 300 Studenten den ganzen Tag lang immer wieder evakuieren. Dabei werden sie auf Schritt und Tritt von High-Tech-Kameras beobachtet. Wenn alles klappt, lassen sich so Dichte und Zielort des Personenflusses vorherbestimmen.

Das sei wichtig, um Paniksituationen gar nicht erst entstehen zu lassen, erklärt Professor Wolfram Klingsch von der Uni Wuppertal. Denn die seien die Ursache für viele Katastrophen. Klingsch weiß das nur zu genau: Er war unter anderem Hauptgutachter nach der Brandkatastrophe auf dem Düsseldorfer Flughafen 1996.

Vom Oberrang der Arena aus betrachtet, sehen die 300 Studenten mit den weißen Kappen und dem schwarzem Punkt in der Mitte aus wie eine Armee geklonter Teletubbies. 15.000 Euro pro Tag kostet diese Armee. Alle warten auf das Kommando von Projektleiter Armin Seyfried. Ertönt es, stehen die Studenten gleichzeitig auf und verlassen den Block.

Nach knapp zwei Minuten ist dieser leer. Aber anders als im Evakuierungsfall geht es heute gar nicht um Sekunden, sondern allein um die Aufzeichnung der Bewegungsdaten. Aus diesen wird dann das Programm errechnet.

Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung mit 5,4 Millionen Euro gefördert. Wenn das Programm 2011 fertig ist, soll es helfen, die Sicherheit von vielen tausend Menschen zu gewährleisten. "Es gibt zwar bereits Computersimulationen von Evakuierungen, aber keine Einzige in Echtzeit", erklärt Holl die Bedeutung des Projekts.

Doch dafür müssen zunächst Fragen geklärt werden wie: "Was passiert, wenn Leute sich auf einer Treppe einfädeln, wo kommt es zu gefährlichen Staus oder wie schnell kommt eine Gruppe um eine Kurve herum?"

Die Studentinnen Anna und Britta können kaum glauben, dass ihre Evakuierung nur zwei Minuten gedauert hat. "Wenn man mittendrin steht, kommt einem das viel länger vor," sagt Anna. Ein bisschen stolz sei sie schon darauf, bei einem Projekt mitgemacht zu haben, das vielleicht einmal Menschenleben in aller Welt retten wird.

Stolz ist auch Projektleiter Armin Seyfried. "So ein Experiment hat es in dieser Größenordnung und Präzision noch nie gegeben. Ich bin mir jetzt schon sicher, dass das Experiment ein Erfolg für uns ist."

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