Und wer ist Elena Ferrante? Literatur 2016: Von Bob Dylan bis Harry Potter

Berlin (dpa) - Die großen literarischen Preise gingen in diesem Jahr eher an Außenseiter, die Harry-Potter-Freunde kamen wieder auf ihre Kosten, und ein Geheimnis wurde gelüftet oder auch nicht. Das Literaturjahr 2016 im Rückblick.

Und wer ist Elena Ferrante?: Literatur 2016: Von Bob Dylan bis Harry Potter
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DIE ÜBERRASCHUNG:

Alle Fans konnten aufatmen: Anfang Februar lässt die britische Erfolgsautorin Joanne K. Rowling ankündigen, dass HARRY POTTER weiterlebt - in der achten Folge als beschäftigter Familienvater. Zunächst ist die Geschichte „Harry Potter and the Cursed Child“ (Harry Potter und das verwunschene Kind) Ende Juli in London als Theaterstück zu sehen. In Deutschland erscheint das Buch Anfang September, doch bereits die englische Ausgabe landet auch hierzulande an der Spitze der Bestsellerlisten. Im Oktober ist es das meistverkaufte Buch in Deutschland.

DAS GEHEIMNIS:

Heißt Elena Anita? Die Identität der geheimnisumwobenen und gefeierten Bestsellerautorin ELENA FERRANTE („Meine geniale Freundin“) ist angeblich geklärt. Ein italienischer Journalist will herausgefunden haben, dass sich hinter dem Pseudonym die Übersetzerin Anita Raja verbirgt. Dafür sprächen zahlreiche Hinweise, er sei „der Spur des Geldes“ gefolgt, schreibt er Anfang Oktober. Der italienische Verlag schweigt und auch Suhrkamp, wo der erste Band in Deutschland erschienen ist. Und hört Elena Ferrante nun auf zu schreiben, wie sie es für den Fall ihrer Enttarnung angekündigt hat?

DIE EHRUNG:

Der US-amerikanische Sänger und Songwriter BOB DYLAN bekommt den Literaturnobelpreis. Er wird für seine poetischen Neuschöpfungen in der großen amerikanischen Song-Tradition geehrt, wie die Schwedische Akademie in Stockholm bekanntgibt. „Blowin' In The Wind“ und „Like A Rolling Stone“ gehören zu seinen berühmtesten Songs. Allerdings lässt er die Akademie knapp drei Wochen auf eine Reaktion wartenund bleibt der Nobelpreisverleihung in Stockholm fern. In einem Brief an die schwedische Nobeljury bedankte er sich ehrfürchtig für den Literaturnobelpreis.: Er fühle sich geehrt, lässt er schließlich wissen.

Der Lyriker und Romancier MARCEL BEYER erhält den Georg-Büchner-Preis. Der mit 50 000 Euro dotierte Preis gilt als wichtigste literarische Ehrung in Deutschland. Der in Dresden lebende 50-Jährige sei ein Autor, „der das epische Panorama ebenso beherrscht wie die poetische Mikroskopie“, begründet die Deutsche Akademie für Sprache und Dichtung ihre Entscheidung. Beyer wurde 1995 einer breiteren Öffentlichkeit durch seinen Roman „Flughunde“ bekannt.

Die Journalistin und Publizistin CAROLIN EMCKE erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels. Emcke leiste mit ihren Büchern, Artikeln und Reden einen wichtigen Beitrag zum gesellschaftlichen Dialog und zum Frieden, teilt der Börsenverein mit. Der Preis ist mit 25 000 Euro dotiert. Sie spricht sich in ihrer Rede in der Frankfurter Paulskirche gegen jede Form von Ausgrenzung und Fanatismus aus: „Menschenrechte sind voraussetzungslos. Sie können und müssen nicht verdient werden.“

BODO KIRCHHOFF gewinnt mit seinem Buch „Widerfahrnis“ den Deutschen Buchpreis. Das Buch sei „ein vielschichtiger Text, der auf meisterhafte Weise existenzielle Fragen des Privaten und des Politischen miteinander verwebt und den Leser ins Offene entlässt“, begründet die siebenköpfige Jury ihre Wahl.

GUNTRAM VESPER wird mit dem Preis der Leipziger Buchmesse für seinen Roman „Frohburg“ ausgezeichnet. In dem über 1000 Seiten starken Roman beschäftigt sich Vesper mit dem Ort seiner Geburt: Frohburg, einer Kleinstadt südlich von Leipzig, wo er Kindheit und Jugend verbrachte, ehe die Familie 1957 in die Bundesrepublik floh.

Der vietnamesische Autor VIET THANH NGUYEN gewinnt für seinen Spionage-Roman „The Sympathizer“ den Pulitzer-Preis für Literatur. Das Buch handelt von einem vietnamesischen General im Vietnamkrieg, der mit seinen Landsleuten ein neues Leben in Los Angeles beginnt, während Saigon im Krieg versinkt. Für die USA, wo der Verlauf des Vietnamkriegs meist nur aus amerikanischer Sicht gedeutet wird, sei die Perspektive der Gegenseite eine Bereicherung, schreibt etwa die „New York Times“.

Die Schriftstellerin SHARON DODUA OTOO gewinnt den 40. Ingeborg-Bachmann-Preis. Die gebürtige Britin mit Wurzeln in Ghana erhält die Ehrung in Klagenfurt für ihren Text „Herr Gröttrup setzt sich hin“. Die Jury lobt die unangestrengte Satire über den deutschen Alltag, in der ein Frühstücksei den Aufstand wagt. Der Preis ist mit 25 000 Euro dotiert und gilt als eine der renommiertesten Literaturauszeichnungen im deutschsprachigen Raum.

DER TOD:

Am 7. Februar stirbt der Bestsellerautor und frühere Fernsehmoderator ROGER WILLEMSEN. Er erliegt einem Krebsleiden, das wenige Tage nach seinem 60. Geburtstag festgestellt worden war. Willemsen gehörte zu den bekanntesten deutschen Intellektuellen.

Die US-amerikanische Schriftstellerin HARPER LEE, die mit „Wer die Nachtigall stört“ Weltruhm erlangte, stirbt am 19. Februar in ihrer Heimatstadt Monroeville in Alabama im Alter von 89 Jahren. Im Jahr zuvor sorgte ein zweites Buch von ihr, „Go Set a Watchman“ (Gehe hin, stelle einen Wächter), weltweit für Aufsehen.

Ebenfalls am 19. Februar stirbt der italienische Schriftsteller UMBERTO ECO. Er wird 84 Jahre alt. Der millionenfach verkaufte Bestseller „Der Name der Rose“ brachte ihm vor mehr als drei Jahrzehnten den Durchbruch, seine Romane machten ihn weltberühmt.

HERMANN KANT, einer der erfolgreichsten Schriftsteller der DDR, stirbt am 14. August mit 90 Jahren. Populär wurde Kant mit seinen Romanen „Die Aula“, „Das Impressum“ und „Der Aufenthalt“. Sie erzielten in der DDR eine Millionenauflage. Kant wurde nach der Wende vielfach für seine Nähe zum SED-Regime kritisiert. Er war lange Jahre Präsident des DDR-Schriftstellerverbandes und Mitglied im Zentralkomitee der SED.

DIE ZUVERSICHT:

Es ist eine ernüchternde Bilanz: Im deutschen Buchhandel ist der Umsatz wieder auf dem Niveau von vor zehn Jahren angekommen. 2015 hat die Branche - wie schon 2005 - knapp 9,2 Milliarden Euro erwirtschaftet. Zwischenzeitlich war sogar an der Marke von zehn Milliarden Euro gekratzt worden. Trotz des erneuten Umsatzrückgangs von 1,4 Prozent (2015) verbreitet der Dachverband dennoch Zuversicht. Der „beispiellose Medienwandel“ sei inzwischen gut überstanden, heißt beim Börsenverein des Deutschen Buchhandels im Juni. „Das Buch ist in unserer Gesellschaft fest verankert.“ In diesem Jahr - soviel ist jetzt schon sicher - hat wenigstens Harry Potter wieder mal die Umsatzzahlen ansteigen lassen.

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