Linkshänder: Das mache ich mit links

Geschätzte 20 bis 30 Millionen Zeitgenossen kämpfen bundesweit mit einer für sie verkehrten Welt, denn unser Alltag orientiert sich am Rechtshänder.

Düsseldorf. Sie machen alles mit links. Darüber, dass dabei alles leicht von der Hand geht, können sie allerdings nur müde lächeln.

Geschätzte 20 bis 30 Millionen Linkshänder kämpfen bundesweit mit Messern, Bohrmaschinen oder Dosenöffnern, die eigentlich in die rechte Hand gehören. Sie verwischen die Tinte, hantieren ungelenk mit der Schere und haben so schon als Kinder in einer Welt der Rechtshänder mit einer für sie verkehrten Welt zu kämpfen.

Am Bankschalter geraten sie in Nöte, weil der Kugelschreiber an der falschen Seite angebracht ist und an einer zu kurzen Schnur hängt. Mit Kartoffelschälern lässt sich wegen des Messerschliffs nur rechtshändig hantieren, und Schöpflöffel haben die Ausgießtülle an der verkehrten Seite.

Lange Zeit galt die Linke als das "schmutzige Händchen". Kindern wurde sie auf den Rücken gebunden, damit sie anständige Menschen werden.

Auch Sprachen waren nie übermäßig nett zu Linkshändern. Ob sie im Lateinischen "sinister" heißen, auf Griechisch "skaios" oder italienisch "mancine" - all dies bedeutet nicht nur links, sondern auch: dunkel, düster und linkisch. Lange Zeit galt die Linke als das "schmutzige Händchen". Kindern wurde sie auf den Rücken gebunden, damit sie anständige Menschen werden, die nicht mit dem linken Ellenbogen ihren rechtshändigen Nachbarn beim Essen stören.

Norbert Martin, der Herausgeber der ersten Zeitung für Linkshänder, erinnert sich noch an den Wollhandschuh an seiner linken Hand. "Umerziehung" war bis in die 80er-Jahre hinein das Zauberwort. Unter dem Deckmäntelchen wissenschaftlicher Erkenntnisse, welche die rechte Hand naturgemäß als die stärkere ansahen, wurde fleißig umgepolt. Diejenigen, die das nicht einsehen wollten, bekamen es eben eingebläut.

Umerzogene Linkshänder erinnern sich an Schläge auf die Finger, wenn doch mal wieder das linke Händchen zum Stift greifen wollte, und an das strenge Verbot, im Werkunterricht mit links zu feilen, zu hämmern und zu hobeln. Dabei war schon damals bekannt, dass Charlie Chaplin virtuos mit links die Rampenlicht-Melodie gefiedelt und Leonardo da Vinci mit links gemalt hatte.

Zu den namhaften Linkshändern gehörten auch Gitarren-Genie Jimi Hendrix und Sauf-Poet Charles Bukowski, der sich in seinen Memoiren daran erinnert, wie sich sein Speziallöffel immer wieder vom Mund weg bog, wenn er seine Suppe verbotenerweise mit der linken Hand löffeln wollte.

Kann schon sein, dass die armen Leute wirklich mit links besser sind. Aber wird man sie nicht hänseln, wenn sie den Füller über das Blatt schieben und so beim Schreiben die Tinte verwischen? Werden sie sich nicht in Gefahr bringen, wenn sie beim Autofahren die Arme verknoten, um mit links an die Handbremse zu gelangen? Oder sich mit dem Korkenzieher pieksen, weil sie ihn mit der falschen Hand in die falsche Richtung drehen?

Vermeintliche Gründe dafür, aus Linkshändern angepasste Rechtshänder zu machen, gab es genug. Und auch Erklärungen für ein Phänomen, das bis heute die Forschung umtreibt. Mit links wegkegeln ließen sich die Vorurteile jedenfalls lange Zeit nicht.

Die Wissenschaft hatte so einiges beizutragen zur Dominanz der rechten Gehirnhälfte, die sich in dem bevorzugten Gebrauch der linken Hand spiegelt. Tippte man früher schon mal auf den vermeintlichen Sauerstoffmangel bei der Geburt oder eine psychotische Entgleisung, entdeckten Forscher der Universität Oxford pünktlich zum Linkshändertag im vergangenen Jahr das Linkshänder-Gen mit dem imposanten Namen LRRTM1. Nun scheint zumindest eine wissenschaftliche Erklärung gefunden, warum bei manchen Menschen das schlechte Händchen eben doch das bessere ist.

In der Welt scheint sich das allerdings noch nicht rumgesprochen zu haben. Während in Europa der linkshändige Bund mit dem Teufel dem tiefsten Mittelalter zugeschrieben wird, gilt die linke Hand in asiatischen und afrikanischen Ländern noch immer als unrein und man ist beleidigt, wenn ein Fremder mit ihr die gemeinsame Tafel besudelt. Im islamischen Kulturkreis wird angeblich Kindern, die mit der linken Hand essen, aus pädagogischen Gründen der Arm kurz in brodelndes Fett gehalten, und der afrikanische Stamm der Wa Chaggas schließt linkshändige Männer von Jagd und Kriegsführung aus, weil sie Unglück bringen sollen.

Dabei wollen französische Forscher erst kürzlich herausgefunden haben, dass kämpferische Kulturen mehr Linkshänder hervorbringen als pazifistische, da es im Kampf um Leben und Tod einen strategischen Vorteil gibt: die Linke, mit der keiner rechnet. Damit konnten bekanntlich auch Henry Maske und Muhammad Ali punkten. Auch "Jack the Ripper" führte sein Messer links.

Mittlerweile ist übrigens auch per Kernspintomograph geklärt, dass Linkshänder nie zu echten Rechtshändern umgepolt werden können. Die unangenehmen Folgen dieser Versuche waren hinlänglich bekannt. Nicht wenige der "Umerzogenen" klopften an die Türen der Therapeuten und berichteten von Konzentrationsschwäche, Sprachstörungen und psychischen Problemen.

Nicht wenige "Umerzogene" klopften an die Türen der Therapeuten und berichteten von Sprachstörungen oder psychischen Problemen.

Stattdessen boomt der Markt für Linkshänder. Am 13.August 2007, zum traditionellen Linkshändertag, hat in Erfurt ein Linkshändershop mit mehr als 400 Produkten für Linkshänder eröffnet. Unter der Internetadresse www.linkshaender.de finden Linkshänder alles von der Gartenschere bis zum digitalen Messschieber.

Und auch bei Schülern haben sich die Vorteile der Linkshändigkeit womöglich längst herumgesprochen: Sitzt man in der Klausur neben einem Rechtshänder, verdeckt kein Arm das Blatt des Nachbarn. Davon profitieren schließlich beide.

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