Kriegssiedlung soll weiterleben

Deutsche Gefangene haben in den 1940ern die Siedlung Excalibur bei London aufgebaut. Anwohner kämpfen gegen Abriss.

Catford. Sie sehen aus wie Schuhkartons mit Fenstern, sind Trutzburgen mit Gartenzwerg-Armee und Phantasie-Schlössern: Die Fertighäuser der Excalibur-Siedlung im Süden der Hauptstadt zählen zu den charmantesten Zeitzeugen der britischen Nachkriegsgeschichte. Nun sollen die einstigen Notunterkünfte der Planierraupe weichen - die Bewohner aber kämpfen für ihr Viertel und hoffen auf Hilfe aus Deutschland.

Herrenhäuser sehen anders aus, doch im "Excalibur Estate" würde man die Bauten nicht einmal gegen eine Abfindung tauschen. 200 dieser vorgefertigten Unterkünfte in Catford haben deutsche Kriegsgefangene vor Jahrzehnten zusammenmontiert. "Ursprünglich sollten die Hütten die Wohnungsnot nach den Bombenangriffen der Nazis lindern", erklärt Jim Blackender. Nach ein paar Jahren hätte das provisorische Excalibur eigentlich abgerissen werden sollen - doch "selbst nach 60 Jahren sind die Bungalows noch tiptop".

Die Stadtverwaltung Lewisham sieht das anders: Ihr ist die Siedlung wegen des angeblich niedrigen Lebensstandards ein Dorn im Auge. Catford könnte etwas aus sich machen, denn die Stadt hat Anschluss an die Pendlerzüge Richtung London. "Hier, wo unsere Bungalows stehen, sollen 600 Mietwohnungen hochgezogen werden", sagt Blackender.

Das vergessene "Excalibur Estate" ist die letzte Siedlung dieser Art. Die meisten der 70-Quadratmeter-Häuser bestehen aus Sperrholz, Asbest und Beton. Gebaut wurde "Excalibur" nach 1945 von Kriegsgefangenen aus Deutschland, Italien und Weißrussland für Leute wie Eddie O’Mahony, damals ein ausgebombter Kriegsheimkehrer. Er war der erste Bewohner der Siedlung. "Meine Frau und ich haben uns in den Bungalow verliebt", sagt der 89-Jährige. "Er war moderner als alles andere, hatte ein Innenklo und ein riesiges Wohnzimmer." Ausziehen will er keinesfalls, dabei könnte er sich mit dem Trennungsgeld der Verwaltung eine solide Eigentumswohnung leisten: "Wie haben hier unsere Söhne großgezogen. Das alles niederzureißen, wäre Vandalismus."

Dem Witwer gehört die Zwei-Zimmer-Konstruktion, die meisten anderen zahlen der Stadt Lewisham 300 Euro Miete pro Monat. So ein Schnäppchen dürfte im Speckgürtel von London einmalig sein. "Wir haben lange Wartelisten von Leuten, die herziehen wollen", sagt Blackender.

Letzte Hoffnung des Viertels ist das Kulturministerium. "Einige Häuser könnten unter Denkmalschutz gestellt werden", sagt Blackender. "Zum Glück hat die Verwaltung uns immer wieder Reparaturen versagt, um uns zum Auszug zu bewegen. Hätten sie die Häuser modernisiert, würden sie jetzt für den Denkmalschutz gar nicht in Betracht kommen." Um die Historie der Siedlung dokumentieren zu können, hofft er, dass sich Deutsche bei ihm melden, die beim Aufbau der "Prefabs" geholfen haben.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort