Krieg in der Ukraine Baerbock kündigt Gespräche über intensivere Waffenlieferungen an

Die Nato-Staaten wollen der Ukraine stärker als bislang mit Waffenlieferungen helfen - zuvor hatte es auch Kritik an Deutschland gegeben. Unterdessen kommt es weiter zu heftigen Angriffen in der Ukraine. Die Entwicklungen im Überblick.

 Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) hat Gespräche über weitere Waffenlieferungen an die Ukraine angekündigt.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock (Bündnis 90/Die Grünen) hat Gespräche über weitere Waffenlieferungen an die Ukraine angekündigt.

Foto: dpa/Olivier Matthys

7.April, 11.48 Uhr: Baerbock kündigt Gespräche über intensivere Waffenlieferungen an

Die Nato-Staaten wollen der Ukraine nach Angaben von Außenministerin Annalena Baerbock noch stärker als bislang mit Waffenlieferungen helfen. Man schaue sich mit den Partnern an, wie man die Ukraine zukünftig intensiver und koordinierter unterstützen könne, sagte die Grünen-Politikerin am Donnerstag am Rande von Beratungen in der Brüsseler Nato-Zentrale. Die Ukraine habe ein Recht auf Selbstverteidigung und man werde dies gemeinsam mit unterschiedlichen Partnern fördern. Darum gehe es auch bei Gesprächen im Kreis der G7-Staaten, die am Rande der Nato-Beratungen organisiert wurden.

Für weitere Absprachen zum Umgang mit Russlands Krieg gegen die Ukraine kündigte Baerbock für Mai ein informelles Arbeitstreffen der Nato-Außenminister in Berlin an. Dabei soll es auch um die Stärkung der Verteidigungsfähigkeit der Bündnisstaaten und um eine bessere Absicherung der Südostflanke der Allianz gehen.

Das Vorgehen des „russischen Regimes“ in der Ukraine bezeichnete Baerbock erneut als völkerrechtswidrig und als einen Bruch mit allen Regeln des friedlichen Zusammenlebens.

Russsland bombardiert weiter

Die ostukrainische Großstadt Charkiw bleibt weiter Ziel heftiger russischer Attacken. Innerhalb eines Tages hätten die russischen Truppen die zweitgrößte Stadt des Landes 48 Mal mit Raketenwerfern, Artillerie und Mörsern beschossen, schrieb der Gouverneur des gleichnamigen Gebiets, Oleh Synjehubow, am Donnerstagmorgen im Nachrichtenkanal Telegram. In der Stadt Balaklija seien durch russischen Beschuss drei Menschen getötet und mehrere Gebäude zerstört worden. Auch die Stadt Losowa sei Ziel von Angriffen gewesen. Von dort und aus Balaklija seien zuletzt 15 000 Zivilisten evakuiert worden, schrieb Synjehubow.

Die russischen Streitkräfte hatten angekündigt, ihre Angriffe auf die Ostukraine und dort auf die „Befreiung“ der Gebiete Donezk und Luhansk zu konzentrieren, die von den moskautreuen Separatisten beansprucht werden. Präsidentenberater Olexeij Arestowytsch sagte am Donnerstag, die heftigsten Kämpfe gebe es im Südwesten des Gebiets Luhansk um die Städte Rubischne, Popasna und Sjewjerodonezk.

Der Feind versuche zudem, von Isjum aus Richtung Slowjansk und Kramatorsk vorzustoßen sowie von Wuhledar nach Marjinka im Gebiet Donezk. „Dies ist ein Versuch, unsere Soldaten einzukreisen, aber ich glaube, dieser Versuch wird vergebens sein. Das Gelände ist zu ungünstig für den Feind“, sagte Arestowytsch.

Russische Truppen haben nach Angaben aus Moskau am Donnerstag weitere 29 Militärobjekte in der Ukraine bombardiert. Dabei seien Luftabwehrsysteme, Artilleriegeschütze, mehrere Kommando- und Stützpunkte der ukrainischen Streitkräfte sowie Munitions- und Treibstofflager vernichtet worden, sagte der russische Militärsprecher Igor Konaschenkow. Eine Fregatte der Schwarzmeerflotte habe „eine Salve mit vier ballistischen Raketen vom Typ Kalibr auf Bodenziele auf dem Territorium der Ukraine abgegeben“.

Kalibr ist ein modernes russisches Lenkwaffensystem, mit dem seit 2011 die russische Flotte ausgestattet wird. Im Syrien-Krieg beschossen russische Truppen damit vom Kaspischen Meer aus Ziele in Syrien. Im von Russland am 24. Februar begonnenen Krieg gegen die Ukraine kamen die Kalibr-Marschflugkörper, die potenziell auch Nuklearsprengköpfe tragen können, ebenfalls schon mehrfach zum Einsatz.

Ukrainische Regierung kündigt Fluchtrouten an

Die ukrainische Regierung hat Zivilisten erneut zum Verlassen der besonders umkämpften Gebiete im Osten des Landes aufgerufen und aktuelle Fluchtrouten angekündigt. Am Donnerstag gebe es insgesamt zehn so genannte Fluchtkorridore, teilte die stellvertretende Regierungschefin Iryna Wereschtschuk auf ihrer Facebook-Seite mit. Die besonders schwer unter russischem Beschuss stehende Stadt Mariupol sollen Bürger in privaten Autos in Richtung Saporischschja verlassen können. Aus den Städten Berdjansk, Tokmak und Melitopol sollen zudem Busse nach Saporischschja fahren.

Weiter nördlich sollen zudem weitere fünf Fluchtrouten aus dem schwer umkämpften Luhansker Gebiet in die Stadt Bachmut führen. Die Routen werden jeden Tag neu angekündigt. Dabei werfen sich Russland und die Ukraine gegenseitig vor, die Evakuierung der Zivilbevölkerung zu sabotieren. Russland hatte zuletzt angekündigt, die Kampfhandlungen auf den Osten der Ukraine zu konzentrieren. Der Krieg dauert bereits seit dem 24. Februar an.

7.April, 09.02 Uhr: Ukrainische Botschafter widerspricht Bundesverteidigungsministerin Lambrecht

Der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk, hat Aussagen von Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) zum Thema Waffenlieferungen widersprochen. Lambrecht hatte am Mittwoch im Bundestag gesagt, die Bundesregierung spreche nicht öffentlich über "Art und Anzahl der gelieferten Waffen" für die Ukraine, weil die Ukraine "ausdrücklich" um Vertraulichkeit gebeten habe. Dem hielt Melnyk am Mittwochabend in der ARD-Sendung "Maischberger" entgegen: "Das stimmt nicht."

Nicht über die Lieferungen zu sprechen, sei "die Linie, für die sich die Ministerin entschieden hat", sagte Melnyk. "Wir haben leider keinen offenen Dialog über das, was wir brauchen." Derweil koste jeder Tag "viel zu viel Menschenleben" in der Ukraine.

Lambrecht hatte zuvor in einer aktuellen Stunde des Bundestags gesagt: "Wenn wir über die Art und Anzahl der gelieferten Waffen nicht öffentlich reden, dann hat das einen guten Grund: Die Ukraine hat ausdrücklich darum gebeten. Und wir halten uns daran."

7.April, 08.19 Uhr: Ukraine fordert von Deutschland und Co. mehr Waffen

Beim Nato-Außenministertreffen hat die Ukraine Deutschland und andere Verbündete zu mehr Waffenlieferungen gedrängt. "Es ist klar, dass Deutschland mehr tun kann", sagte der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba am Donnerstag in Brüssel. Es dürfe "keine weiteren Butschas" geben, betonte Kuleba, der eigens aus dem Kriegsgebiet angereist war.

In Butscha bei Kiew waren nach ukrainischen Angaben nach dem Rückzug der russischen Armee zahlreiche Leichen von Zivilisten gefunden worden. Die Nato und ihre Mitgliedstaaten reagierten erschüttert. Moskau bestreitet jegliche Verantwortung für die Tötungen und spricht von gefälschten Fotos und Videos.

Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg warb am Donnerstag ebenfalls für weitere Rüstungslieferungen an die Ukraine. "Die Ukraine braucht Waffen, um das eigene Land zu verteidigen", sagte er. Am Mittwoch hatte er bereits von einem "dringenden Bedarf" an weiteren Waffenlieferungen gesprochen. Er erwarte mehr Zusagen der Mitgliedsländer für Kiew, machte Stoltenberg vor dem Nato-Außenministertreffen deutlich.

7. April, 07.16 Uhr: Selenskyj fordert Erdöl-Embargo - und warnt vor drohender Offensive Russlands

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat den Westen zu härteren Sanktionen gegen Russland aufgerufen. Er forderte ein Embargo auf russisches Erdöl und einen vollständigen Ausschluss des russischen Bankensystems vom internationalen Finanzwesen. Sollte es kein „wirklich schmerzhaftes Sanktionspaket“ und keine Lieferungen der von Kiew geforderten Waffen an die Ukraine geben, werde Russland dies als „Erlaubnis zum Vormarsch“ sehen, sagte Selenskyj in einer in der Nacht zum Donnerstag veröffentlichten Videoansprache.

Zugleich warnte Selenskyj vor einer großen Offensive des russischen Militärs im Osten der Ukraine. Moskau baue weiter Kampfkraft auf, um seine Ambitionen im Donbass-Gebiet zu verwirklichen. Die Regierung in Kiew rief Menschen in den Gebieten Luhansk, Donezk und Charkiw bereits zur Flucht auf. Sie rechnet damit, dass von der Hauptstadt Kiew abgezogene russische Truppen im Osten eingesetzt werden. Selenskyj betonte: „Wir werden kämpfen und uns nicht zurückziehen“. Das ukrainische Militär meldete weitere Kämpfe und Angriffe aus dem Osten des Landes.

Der ukrainische Präsident rief zudem die Menschen in Russland dazu auf, ein Ende des Kriegs zu fordern. Die Ermordung von Zivilisten in von russischen Truppen besetzen Städten wie Butscha müsse ein entscheidendes Argument sein. „Niemand in Russland, der jetzt nicht ein Ende des Krieges und den Abzug der russischen Truppen aus der Ukraine fordert, hat eine Zukunft“, sagte Selenskyj. Die Bürger sollten sich lieber jetzt der russischen Repressionsmaschine stellen, als ihr Leben lang „mit Nazis verglichen zu werden“.

Ukraine: Elf Leichen in Kiewer Vorort gefunden

In einer Garage im Kiewer Vorort Hostomel wurden nach dem Abzug russischer Truppen ukrainischen Angaben zufolge elf Leichen gefunden. Die Polizei habe diese am Mittwoch entdeckt, berichtete die „Ukrajinska Prawda“ und berief sich auf einen Telegram-Eintrag des ehemaligen Innenministers Arsen Awakow. Demnach soll es sich bei den Getöteten um Zivilisten handeln, die von russischen Soldaten getötet worden seien. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig prüfen. Das nordwestlich der Hauptstadt gelegene Hostomel mit dem nahen Flugplatz war seit Beginn des Kriegs schwer umkämpft. Der Großteil der ursprünglich 16 000 Einwohner floh. Der lokalen Militärverwaltung zufolge wurden rund 400 Bewohner von Hostomel vermisst.

Bürgermeister von Charkiw: Keine Massenevakuierung nötig

Nach Aufrufen zur Flucht aus dem Osten der Ukraine angesichts einer möglichen russischen Großoffensive versucht der Bürgermeister von Charkiw zu beruhigen. Weder er noch das Militär hielten es momentan für notwendig, eine zentralisierte Evakuierung aus der zweitgrößten Stadt des Landes durchzuführen, sagte Ihor Terechow in einer Videobotschaft. Die Stadt Charkiw sei gut mit Waffen ausgestattet und zur Verteidigung bereit. Der Aufruf zu einer Evakuierung treffe aber im Gebiet Charkiw auf südliche Bezirke zu. Charkiw hatte vor dem Krieg rund 1,5 Millionen Einwohner. Der Gebietsverwaltung zufolge verließ ein großer Teil der Bewohner in den ersten Kriegswochen die Stadt. Charkiw wird seit Beginn der russischen Invasion Ende Februar fast ununterbrochen aus der Luft und mit Artillerie angegriffen.

USA liefern Ukraine weitere Panzerabwehrwaffen und Drohnen

Die USA wollen die Ukraine besonders mit weiteren Panzerabwehrwaffen vom Typ Javelin unterstützen wollen. Dazu sollen 100 Millionen Dollar (91,3 Mio Euro) genutzt werden, die die US-Regierung für weitere Waffenlieferungen genehmigt hatte, sagte Pentagon-Sprecher John Kirby. Man sei außerdem mit den Ukrainern im Gespräch über die Lieferung weiterer Drohnen vom Typ Switchblade. Davon seien bereits 100 geschickt worden. Die Switchblades sind Mini-Drohnen, die lange über dem Boden kreisen können, um dort auf ein Ziel zu lauern und gezielt anzugreifen. Dabei zerstören sie sich dann selbst.

UN-Institution zu Ukraine-Krieg: Bis zu 47 Millionen mehr Hungernde

Wegen des Ukraine-Kriegs rechnet das Welternährungsprogramm mit Dutzenden Millionen Menschen mehr in Hunger und Armut. „Je nach Dauer des Krieges könnten zwischen 33 und 47 Millionen Menschen zusätzlich in Hunger und Armut abrutschen“, sagte der Direktor des Welternährungsprogramms der Vereinten Nationen (WFP) in Deutschland, Martin Frick, der Deutschen Presse-Agentur. Die Zahl der akut Hungernden habe schon vor Beginn des Krieges mit 276 Millionen Menschen auf einem traurigen Rekordniveau gelegen.

Welthungerhilfe rechnet mit mehr Flüchtlingen

Die Lebensmittelkrise als Folge des Ukraine-Kriegs wird nach Einschätzung der Welthungerhilfe zu neuen Flüchtlingsbewegungen aus ärmeren Ländern führen. „Wir sehen ganz real in den Ländern, in denen wir arbeiten, wie dramatisch die Lage ist. Die Menschen werden keine andere Möglichkeit für sich sehen, als sich auf den Weg zu machen“, sagte der Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe, Mathias Mogge, der „Rheinischen Post“. Hintergrund seien unter anderem die Preissprünge von bis zu 70 Prozent für Getreide, das bisher zu einem großen Teil aus der Ukraine und aus Russland importiert wird.

47 Holocaust-Überlebende aus der Ukraine in Deutschland

Deutschland nahm 47 pflegebedürftige jüdische Holocaust-Überlebende aus der Ukraine auf. Dies sei „in unserer besonderen Verantwortung als Deutsche“ geschehen, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser der Funke-Mediengruppe. „Wir geben ihnen eine vorübergehende Heimat.“ Die Berichte über Gräueltaten an Hunderten Bewohnern ukrainischer Städte kommentierte die Bundesinnenministerin scharf. „Ich bin Juristin. Natürlich soll man niemanden vorverurteilen. Aber es deutet alles darauf hin, dass Wladimir Putin und seine Armee in der Ukraine furchtbare Kriegsverbrechen begehen.“

Das wird am Donnerstag wichtig

Die Außenminister der 30 Nato-Staaten beraten an diesem Donnerstag über eine weitere Unterstützung der Ukraine und eine Verstärkung der Verteidigungsfähigkeiten im östlichen Bündnisgebiet. Am Rande des Treffens wollen auch die Außenminister der G7-Staaten zusammenkommen. In Deutschland beraten Ministerpräsidenten der Bundesländer mit Kanzler Olaf Scholz darüber, wie Kosten für die Versorgung ukrainischer Kriegsflüchtlinge aufgeteilt werden sollen. Die UN-Vollversammlung soll über eine Suspendierung der Mitgliedschaft Russlands im UN-Menschenrechtsrat abstimmen. Die EU will über ein weiteres Sanktionspaket beraten, das auch ein Importverbot für russische Kohle enthalten soll.

(dpa/afp)
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