Kreis Mettmann: Damenbesuch im Neandertal

„Wilma“ ist eine Neandertalerin mit einem spröden Charme. Die Figur der Brüder Alfons und Adrie Kennis steht im Museum.

Kreis Mettmann. Muss Liebe schön sein? Zu Zeiten der Neandertaler sicherlich nicht. In der Welt der Steinzeit zählten eben andere Werte als Schönheit und Grazie. Kraft und Verbissenheit waren nötig, um den harten Alltag überleben zu können "Wilma" ist so ein Exemplar. Robust und kräftig steht die Neandertalerin seit Freitag an der Seite des freundlich lächelnden Sympathieträgers, der seit 2006 die Besucher des Neanderthal Museums im Foyer begrüßt und immer noch fast namenlos ist. Im Museum wird er nämlich nur "N" genannt.

Und "Wilma" zeigt mit ihren geschätzten 20 Jahren dem Neandertaler-Mann auch direkt, wo es lang geht. Nämlich in Richtung Nahrungsbeschaffung, sprich der Jagd. Geradezu verbissen hält sie den Speer in ihren Händen, um jeden Augenblick zuzustoßen.

Dass ihrem bärtigen Artgenossen, der ein geschätztes Alter von 40 Jahren hat, dabei nicht das Lächeln vergeht, liegt in der Natur der Sache. Silikon hat eben auch andere Vorzüge. "Wilmas" körperliche Proportionen, mit leichter Sommerkleidung verhüllt, lassen erahnen, dass sich hier eine Frau emanzipiert hat. Kräftige Waden, stramme Muskeln - "Wilma" kann eben mit Männern locker mithalten. Wenn es da nicht diese weiblichen Attribute geben würde.

Denn die beiden Schöpfer und Präparatoren Alfons und Adrie Kennis haben mal wieder nichts ausgelassen. Die anatomische Detailtreue der beiden Niederländer, die sich medizinischen Rat von Ärzten und Pathologen holen, nie aber selbst ein Skalpell angesetzt haben, macht auch vor Geschlechtsteilen nicht halt.

"Wilma" wurde von den Kennis-Brüdern für das Magazin "National Geographic" rekonstruiert. Diesmal ist die Grundlage der Figur ein idealisiertes Neandertaler-Skelett aus dem American Museum of Natural History in New York. Dieses haben sie auf weibliche Körpermaße verkleinert und in der gewünschten Körperhaltung montiert.

Bei der Haar- und Augenfarbe haben die Kennis-Brüder ebenso ihrer Fantasie freien Lauf gelassen wie bei der Tatsache, dass "Wilma" ein Tattoo-Fan ist. Je vier breite Streifen ziehen sich über Oberarme und Oberkörper. Ebenso ihre roten Haare - übrigens durch genetische Untersuchungen an den Knochen von Neandertalern belegt -, die dringend einer Pflege bedürfen. Auch der Anhänger als Schmuck ist archäologisch nachgewiesen.

Dabei hat "Wilma" ja schon einiges hinter sich. Erschaffen als Fotomodell, stand sie mit ihrem vom Wetter gegerbten Gesicht für eine Geschichte über die letzten Neandertaler im Norden Spaniens vor der Kamera. Und weil es für "Wilma" zurzeit keine weiteren Aufträge mehr gibt, ist sie Dank der Vermittlung durch die Kennis-Brüder jetzt auf Damenbesuch im Neandertal.

Bärbel Auffermann, stellvertretende Museumsleiterin, weiß nicht, wie lange "Wilma" bleiben wird. "Wir hoffen natürlich, dass die Figur eine Dauerleihgabe von National Geographic wird." Womit natürlich alle Spekulationen möglich sind. Adrie Kennis hatte damals den Umstand, dass der Neandertaler-Mann deutliche Spuren einer Rasur trägt, mit der Möglichkeit eines Schmuckes oder sexuellen Zeichens erklärt. Ob die Brüder schon an einem Auftrag für ein Neandertaler-Baby arbeiten, ist unbekannt.

Es darf bezweifelt werden, ob es der alte Neandertaler mit seinem Lächeln schaffen wird, die verkniffenen Lippen von "Wilma" zu verändern. Eines aber hat er schon geschafft: "Der Neandertaler für uns noch sympathischer geworden, seitdem ,Wilma’ hier steht", sagt Bärbel Auffermann.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort