Kölns Gedächtnis ist geborgen, nicht gerettet

Zweieinhalb Jahre nach dem Einsturz des Stadtarchivs sind die Dokumente gesichert. Ein Großteil von ihnen ist schwer beschädigt.

Köln. „Watt fott es, es fott“, sagt der Kölner — weg ist weg. Aber diesmal galt das zum Glück nicht. 95 Prozent der Bestände des Kölner Stadtarchivs konnten geborgen werden. Wenn man an den Trümmerhaufen vom März 2009 zurückdenkt, ein Wunder.

Allerdings: Die Archivgüter sehen zum Teil aus wie geschreddert. Der Fachmann spricht von „Kölner Flocken“. 35 Prozent sind schwerst beschädigt, 50 Prozent schwer und mittelschwer, die übrigen 15 Prozent nur leicht. Für die Restaurierung müssten 200 Restauratoren 30 bis 50 Jahre schuften. Kosten: zwischen 350 und 400 Millionen Euro.

Abgesehen davon, dass es so viele Papierrestauratoren gar nicht gibt — ist das die Sache wirklich wert? Sollte man sich nicht auf die wirklich wertvollen Dinge beschränken — auf die Handschriften des Albertus Magnus etwa?

Dazu kommt von der Archivleiterin Bettina Schmidt-Czaia ein entschiedenes Nein. Was wertvoll ist und was nicht, können wir nicht wissen. Das ändert sich im Laufe der Zeit.

So gab es in Köln im Mittelalter zum Beispiel Frauen, die in der Seidenweberei als Unternehmerinnen tätig waren. Das finden heutige Historiker interessant, doch damals war es alltäglich, nicht weiter bemerkenswert.

Die Urkunden, aus denen es hervorgeht, wurden all die Zeit aufgehoben — im Stadtarchiv. Vielleicht hält in 500 Jahren jemand den Urlaubsantrag eines Busfahrers ehrfürchtig in Händen.

Egal wie schnell die Restaurierung in den vergangenen Jahren vorangetrieben wurde, fest steht: Fünf Prozent der Bestände aus dem alten Archiv sind definitiv weg.

Ob darunter möglicherweise einige ganz große Schätze waren, lässt sich erst beantworten, wenn das gesamte Archivgut gesichtet ist. Zurzeit liegt das meiste davon in Pappkartons in 20 Archiven in ganz Deutschland.

All dieses Material haben die Archivarbeiter zusammen mit Freiwilligen in den vorigen zweieinhalb Jahren aus einem riesigen Dreckhaufen geholt. Es ist, so sagen sie, der erste Schritt in einem langen Prozess, in dem Köln sein Gedächtnis wiederfinden soll.

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