Kölns Archiv liegt in Trümmern

Über der U-Bahn-Baustelle in der Südstadt ist ein Gebäudekomplex eingestürzt. Drei Menschen werden noch vermisst.

Köln. Die Domstadt im Schockzustand: Nach dem Einsturz des Historischen Stadtarchivs und zweier weiterer Gebäude suchten Rettungskräfte mit Spezialhunden bis spät in die Nacht nach drei Menschen. Ein Ehepaar soll sich in einem Nachbarhaus aufgehalten haben, das in Trümmern liegt. Unterdessen wird fieberhaft Beton in die U-Bahn-Röhre gepumpt, um ein Absacken weiterer Gebäude zu verhindern.

In der Innenstadt war gegen 14 Uhr der 70er-Jahre-Bau mit ohrenbetäubendem Krachen komplett eingestürzt und hatte zwei Nachbargebäude mitgerissen. Binnen weniger Augenblicke verwandelte sich das vierstöckige Gebäude in einen Schuttberg. "Die komplette Kreuzung war in dunklem Nebel. Das sieht hier aus wie am 11. September", so eine Augenzeugin.

Die Mitarbeiter und Nutzer des Archivs hatten sich laut Feuerwehrchef Stefan Neuhoff retten können, weil sich der Einsturz durch Geräusche angekündigt hatte. Augenzeugen berichten, dass Bauarbeiter gerufen hätten, man solle sich schleunigst in Sicherheit bringen.

Ursache für das Unglück war möglicherweise der angrenzende U-Bahn-Bau. Der U-Bahn-Tunnel verläuft direkt neben der Unglücksstelle. Der Projektleiter der Kölner Verkehrsbetriebe, Rolf Papst, versicherte jedoch, die Tunnelarbeiten am Unglücksort seien schon seit mehr als einem Jahr beendet.

Nach Ansicht des langjährigen Abteilungsleiters Eberhard Illner war der Einsturz des Stadtarchivs eine "absehbare Katastrophe". Er selbst habe im Sommer vergangenen Jahres Senkungsrisse im Keller festgestellt und dies auch an die Archivleitung weitergegeben. In der vergangenen Woche habe es erneut Hinweise auf erhebliche Schäden im Mauerwerk gegeben.

Der mögliche Verlust der im Archiv gelagerten Dokumente gilt als unschätzbar. Wissenschaftler sprachen davon, dass das "Gedächtnis der Stadt" ausgelöscht sei. Laut Illner ist durch den Einsturz ein größerer Schaden als beim Brand in der Anna-Amalia-Bibliothek in Weimar entstanden. Im Stadtarchiv wurden auf 18Regalkilometern Dokumente aus der 2000-jährigen Geschichte Kölns aufbewahrt, darunter Urkunden aus dem Mittelalter sowie der Nachlass von Literaturnobelpreisträger Heinrich Böll.

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