Kleine Fische im globalen Netz: „Cyber-Bankräuber“ verurteilt

Weltweit verschwanden plötzlich Millionen aus Geldautomaten. Einer der am besten vorbereiteten und organisierten Bankraube aller Zeiten, meint ein Staatsanwalt. Zwei Mittäter wurden jetzt in Düsseldorf verurteilt.

Düsseldorf (dpa). Die nächtlichen Gestalten am Geldautomat einer Bankfiliale in Düsseldorf waren vermummt und brauchten ungewöhnlich lange. Permanent rasselte die Geldausgabe. Ein 68-jähriger Rentner schöpfte Verdacht. Er rief die Polizei, und die nahm ein ungewöhnliches Duo fest: Mutter Willemina (56) und Sohn Eduard (35) aus Den Haag. Dass sich das Schauspiel in dieser Nacht in weltweit 23 Ländern und in neun deutschen Städten wiederholte und das Pärchen Teil eines spektakulären globalen „Cyber-Bankraubs“ war, ahnten die Beamten noch nicht.

Am Freitag bekamen Mutter und Sohn die Quittung für den verhängnisvollen Auftrag unbekannter Hintermänner: Jeweils zu vier Jahren und drei Monaten Haft wurden beide vom Düsseldorfer Landgericht verurteilt - wegen schweren Computerbetrugs in 72 Fällen und Fälschung von Zahlungskarten. In der Nacht zum 20. Februar hatten sie in Düsseldorf 170 000 Euro mit Kreditkarten-Dubletten, sogenannten „White Plastics“, abgehoben. Das Geld stellte die Polizei sicher.

Weltweit wurden in dieser Nacht in wenigen Stunden insgesamt 34 Millionen Euro von Bankautomaten abgehoben - 36 000 Abhebungen wurden registriert. Alle Teams hielten sich peinlich genau an die Limits und vermieden so, dass die Karten gesperrt wurden. „Es war einer der am besten vorbereiteten und organisierten Bankraube aller Zeiten“, sagte Staatsanwalt Murat Ayilmaz in seinem Plädoyer. Er hatte sechs Jahre Haft gefordert.

In Dortmund, Duisburg, Frankfurt, Mannheim, Koblenz, Hamburg, Bremen, Essen und Düsseldorf wurden insgesamt 1,8 Millionen Euro abgehoben. Bei den beiden Niederländern in Düsseldorf wurden Handys mit Prepaid-Karten entdeckt, die eigens für die Tat verwendet wurden. In ihnen waren die Nummern der Teams gespeichert, die in den anderen Städten zuschlugen. Nur aus Düsseldorf kam bald keine Antwort mehr auf die SMS, mit denen sie kommunizierten.

Dass die beiden Angeklagten gefasst wurden, sei dem Zufall und dem aufmerksamen Zeugen zu verdanken, sagte die Vorsitzende Richterin Bettina Reucher-Hodges. Doch die entscheidenden Vorbereitungen für den großen Schlag wurden von anderen getroffen. Hacker hatten zuvor die Bank of Muscat im Oman angegriffen, die Sicherheitsbarrieren überwunden und geheime Kontodaten abgegriffen. Damit wurden die Kreditkarten-Dubletten geschaffen.

Experten vermuten das Organisierte Verbrechen hinter der Tat. Es gehöre ein enormer Organisationsgrad dazu, in so kurzer Zeit weltweit willige Helfer zu rekrutieren. Im Fall der aus Den Haag stammenden Teams soll ein gewisser „John“ die Strippen gezogen haben. Die beiden Angeklagten in Düsseldorf hatten zwar ihren Beitrag zum Verbrechen gestanden, „aus Angst um das Wohlergehen ihrer Angehörigen“ aber keine Hinweise auf die Hintermänner gegeben und dafür eine höhere Strafe in Kauf genommen.

In einem Brief, der am Freitag in Saal E.122 des Landgerichts verlesen wurde, hatte die Schwiegermutter des 35-Jährigen geschrieben, die Drahtzieher könnten sich am Gesicht ihrer Tochter vergreifen, wenn der Schwiegersohn auspacke. Ob sie damit eine Drohung übermittelte, blieb unklar.

Die Verteidiger hatten Bewährungsstrafen für ihre Mandanten beantragt. Sie hätten lediglich Beihilfe geleistet und seien „weisungsgebundene Werkzeuge am untersten Ende der Kette“ gewesen, sagte Anwalt Johannes Pausch. Sie seien nicht einmal Mittäter, sondern nur Helfer. Das sah das Gericht anders.

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