Nach Unglück mit Kutsche Karnevalsumzug: „Für die Pferde ist es purer Stress“

Nach dem Unglück mit einer Kutsche auf dem Kölner Rosenmontagszug fordern Tierschützer ein Pferdeverbot bei der jecken Veranstaltung.

Nach Unglück mit Kutsche: Karnevalsumzug: „Für die Pferde ist es purer Stress“
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Köln. Der Kölner Rosenmontagszug kennt eigentlich keine Tränen. Doch am Montag sieht man sie, wenige Minuten nach dem Unglück, auf einem der ersten Wagen, die sich wieder in Bewegung setzen. Ein Mann weint. Kurz zuvor ist eine Pferdekutsche auf dem Zugweg durchgegangen, mindestens vier Menschen wurden verletzt. Für einige lange Minuten weicht der Frohsinn, der sich an Rosenmontag eigentlich von nichts und niemandem erschüttern lässt, einem Schock. Die Gesichter sind versteinert, die Blicke leer. Die Karnevalsmusik ist leiser.

Nach Unglück mit Kutsche: Karnevalsumzug: „Für die Pferde ist es purer Stress“
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Einen Tag danach ist der Schock der ersten Stunde abgeklungen. Heftig aber wird die Frage diskutiert: Kann es so weitergehen? Kann man noch guten Gewissens Pferde bei Karnevalsumzügen einsetzen?

Tierschützer warnen seit Langem. „Für die Pferde ist es purer Stress“, kritisiert Marius Tünte, Sprecher des Deutschen Tierschutzbundes. „Die Verantwortlichen im Karneval wären gut beraten, jetzt umzudenken und ein Pferdeverbot auszusprechen.“ Pferde im Zug bedeuteten ein unkalkulierbares Risiko für Mensch und Tier.

Der Präsident des Festkomitees Kölner Karneval, Christoph Kuckelkorn, will dagegen erst einmal abwarten, bis die Hintergründe des Unfalls bekannt sind. Die Polizei geht nach eigenen Angaben Hinweisen nach, „dass die Pferde nach dem Wurf eines Gegenstands aus der Zuschauermenge heraus durchgegangen sein sollen“.

Gerade bei den Traditionskorps sei das Pferd „ein ganz wichtiges Element in der Darstellung“, gibt Kuckelkorn zu bedenken. Und für viele Zuschauer sei es etwas Besonderes, die Tiere in der Stadt zu sehen: „Fakt ist, dass Pferde im Grunde genommen im Straßenverkehr gar nicht mehr wahrnehmbar sind.“

Schon im vergangenen Jahr war im Kölner Rosenmontagszug ein Pferd im Zug kollabiert. Daraufhin wurde der Einsatz von Pferden noch strenger reguliert. Am Zug beteiligte Reiter müssen seitdem einen anerkannten Reitpass vorlegen — vorher genügte ein Nachweis von 35 Reitstunden im Jahr. Von Kutschfahrern wird jetzt ein Kutschenführerschein verlangt. Außerdem wurde die Zahl der Pferde verringert — von 470 auf 390.

Anderswo hat man sich schon von Pferden verabschiedet. Im hessischen Karneval etwa sind sie selten geworden. Die Reitercorps haben dort selbst die Konsequenzen gezogen, weil sie immer wieder brenzlige Situationen erlebt hatten: Pferde rutschten auf Konfetti aus, gingen durch, sprangen zur Seite, stiegen oder schlugen mit den Hinterbeinen aus.

Für den Kölner Pferdetrainer Andreas Wintgens ist das kein überzeugendes Argument. „Dann darf ich auch kein Pferd mehr auf der Wiese halten“, meint er. Denn auch dort komme es immer wieder vor, dass Pferde etwa von Hunden angegriffen würden und daraus gefährliche Situationen entstünden. Ein gewisses Restrisiko bleibe immer.

Die Expertin Willa Bohnet vom Institut für Tierschutz und Verhalten der Tierärztlichen Hochschule Hannover ist auch nicht grundsätzlich gegen den Einsatz vom Pferden im Zug. „Wenn die Pferde sorgfältig ausgewählt, gut vorbereitet und trainiert sind, ist das kein Problem“, sagt sie in einem Interview. „Stress ist nicht generell schlecht. Es muss tiergerecht sein. Langeweile kann für ein Tier auch Stress bedeuten.“

Allerdings hat Bohnet bei der Auswertung von Fotos und Videos vom Karneval in Köln aus dem vergangenen Jahr noch manches Defizit festgestellt. „Auf den ersten Blick ist das größte Manko die Ausrüstung der Pferde“, erläutert sie. „Mal passte das Geschirr nicht richtig, dann fehlten Teile und wurden durch Karabiner ersetzt. Das kann dann bei den Pferden Schmerzen verursachen.“ Auch an der Aufstellung des Zuges könne noch manches verbessert werden: „Pferde sollten zum Beispiel nicht direkt hinter oder vor einer Kapelle mit lauter und schriller Musik laufen.“

Auch bei den Karnevalsvereinen anderer Städte steht das Thema „Pferde im Zug“ jetzt wieder auf der Tagesordnung. Er gehe davon aus, dass der Punkt in der Abschlussbesprechung der gerade beendeten Session diskutiert werde, sagt Hans-Peter Suchand vom Comitee Düsseldorfer Carneval.

Die Bonner Karnevalisten wollen an Pferden im Karneval derweil weiterhin festhalten. „Es gab sehr viel Zuspruch für die Teilnahme von Pferden durch die Besucher des Rosenmontagszuges“, sagt Ralf Birk-ner vom Festausschuss Bonner Karneval. Auch im Aachener Rosenmontagszug sollen die Tiere weiter mitlaufen. „Die Pferde gehören mit zum Brauchtum“, sagt der Präsident des Festausschusses Aachener Karneval, Frank Prömpeler. Sie seien gut trainiert und an die Reiter gewöhnt. Aber auch er räumt ein: Hundertprozentige Sicherheit gebe es nicht.

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