Karneval: Ein Dreigestirn zum Ertasten

Bei der bundesweit einzigen Sitzung für Blinde darf das Publikum mit Prinz, Bauer und Jungfrau auf Tuchfühlung gehen.

Karneval: Ein Dreigestirn zum Ertasten
Foto: Joachim Badura

Köln. Es ist eine besondere Begegnung im Foyer der Kölner Sartory-Säle: Dort treffen zwei verkleidete Galaxy Ladies auf den Engel Hettwich, der gerade noch bei der Sitzung der Muuzemändelcher als Redner auf der Bühne stand. Sorgsam werden Haare, Heiligenschein und Flügel mit den Händen ertastet.

„Ein Engel fühlt sich immer gut an“, sagt Rosemarie Schmitz, die schon zum zehnten Mal bei Deutschlands einziger Karnevalssitzung speziell für Blinde und Sehbehinderte zu Gast ist. „Man muss sich nicht ständig erklären, wenn man nicht sehen kann“, erklärt die Kölnerin.

Im Saal sitzen 450 Jecke, die vom Kölner Blinden- und Sehbehindertenverein (BSVK) eingeladen werden. Sie kommen aus Köln, aber auch aus Krefeld, Solingen, Wuppertal und dem Ruhrgebiet. „Die Nachfrage wird immer größer“, sagt Katharina Basten vom BSVK.

Gerne erinnert sie sich an den Besuch einer blinden Freundin: „Sie konnte als Kind noch sehen und hat das Dreigestirn erlebt. Viele Jahre später kam sie zu unserer Sitzung und ist erstmals wieder dem Bauern begegnet, den sie ertastet hat. Da war sie zu Tränen gerührt.“

Weit angereist ist Rena Arnold aus Bremen: „Die vier Stunden Fahrt lohnen sich, das Programm ist genau auf uns zugeschnitten. Denn was bringt es uns, wenn eine Tanzgruppe auf der Bühne rumhüpft, und wir das nicht sehen können?“

Das weiß auch Dagmar Eichberg-Weber, die als Baas (Chef) der Muuzemändelcher das Programm für die Sitzung zusammenstellt: „Die Vorbereitungen für das kommende Jahr beginnen bereits im März. Ich achte dabei auf die leisen Töne und Künstler, die ohne optische Effekte auskommen. Was die Künstler selbst angeht, ist die Bereitschaft zu kommen sofort da.“

Das gilt auch für die Paveier, die seit vielen Jahren bei der Blindensitzung singen: „Die Menschen im Saal sind viel aufmerksamer als bei anderen Sitzungen. Für mich ist es eine besondere Situation, wenn das Publikum einen nicht sehen, dafür aber hören und fühlen kann“, sagt Sänger Sven Welter.

Moderiert wird die Sitzung unter anderem von Festkomitee-Präsident Markus Ritterbach: „Man muss den Leuten die Künstler auf der Bühne nicht nur ansagen, sondern auch genau beschreiben. Mir macht die Sitzung hier richtig Spaß. Sie zeigt, dass wir beim Thema Inklusion im Karneval immer weiter vorankommen. Wenn ich sehe, wie viele Menschen mit Behinderung am Rosenmontag dabei sind, bin ich stolz.“

Emotionaler Höhepunkt ist der Auftritt des Dreigestirns. „Wir sind alle ziemlich nervös, freuen uns aber auf die Sitzung, von der uns alle unsere Vorgänger begeistert erzählt haben“, sagt Jens Hermes als Jungfrau Hermia vor dem Auftritt. Auf der Bühne bleiben sie nicht lange, sondern steigen in den Saal, wo sie schon erwartet werden. Behutsam ertastet das Publikum die Ornate. Dazu gehören Zöpfe und Krone der Jungfrau genauso wie der Hut des Bauern mit den langen Pfauenfedern.

„Der Bauer fühlt sie großartig an. Man entdeckt an seinem Kostüm immer wieder ein neues Detail“, sagt Rosemarie Schmitz. Klaus Zimmer hat sich gerade den Prinzen ertastet: „Er ist sehr nett und freundlich. Ich bin überrascht über die Kopfbedeckung mit den langen Federn und das große Stadtwappen auf seiner Brust“, sagt der Mann mit der Nikolaus-Mütze.

Nach dem Auftritt muss Prinz Björn all die Eindrücke verarbeiten: „Es ist ein unbeschreibliches Gefühl, vor allem wenn man erlebt, mit welcher Freude die Menschen einem begegnen.“

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