Junge Gefangene sollen Mithäftling misshandelt haben

Herford (dpa) - Gut drei Jahre nach dem qualvollen Tod eines Häftlings in Siegburg gehen Staatsanwälte neuen Foltervorwürfen gegen junge Gefangene in Nordrhein-Westfalen nach. Vier junge Häftlinge sollen im Jugendgefängnis Herford einen 16 Jahre alten Mitgefangenen schwer misshandelt, vergewaltigt und zum Selbstmordversuch gedrängt haben.

Die Staatsanwaltschaft Bielefeld ermittelt gegen vier Beschuldigte im Alter von 15 bis 20 Jahren, sagte Staatsanwalt Reinhard Baumgart am Freitag.

Die Vorwürfe seien aber nicht gesichert. Das Opfer halte sich zu einer Jugendhilfe-Maßnahme in der Türkei auf und sei von den Staatsanwälten noch nicht befragt worden. Bislang hätten drei Beschuldigte Gelegenheit zur Aussage gehabt. Sie stritten die Vorwürfe ab. Die Vorwürfe wecken Erinnerungen an den Tod eines Häftlings in der JVA Siegburg. Im November 2006 hatten in der Justizvollzugsanstalt zwei damals 17 und 20 Jahre alte Gefangene einen 20-jährigen Mithäftling über viele Stunden in der gemeinsamen Zelle misshandelt, vergewaltigt und schließlich - um einen Selbstmord vorzutäuschen - an einer Toilettentür erhängt.

Baumgart sagte, zwischen Mitte Mai und Ende Juli vergangenen Jahres sei der 16-Jährige möglicherweise mehrmals misshandelt worden. Unter anderem soll er mit einem Stuhlbein vergewaltigt worden sein. Laut Zeugen soll sich der Hauptbeschuldigte mit den Taten gebrüstet habe, berichtete das „Westfalen-Blatt“. Ein unbeteiligter Mitgefangener hatte in einem anderen Gerichtsverfahren über das Geschehen berichtet. Das Opfer soll die Vorgänge bestätigt haben, wie der Anwalt des 16-Jährigen dem „Westfalen-Blatt“ sagte. „Der Junge hat keinen Grund, jemanden zu Unrecht zu belasten“, schilderte Jurist Peter Wüller der Zeitung.

Der stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende im Landtag, Ralf Jäger, warf Justizministerin Roswitha Müller-Piepenkötter (CDU) vor, die Verantwortung auf andere abzuschieben. „Sollte sich der Verdacht bestätigen, ist dies ein eindeutiges Indiz dafür, dass auch nach dem Foltermord in Siegburg nicht alles Erforderliche getan wurde, um jugendliche Gefangene, die der Obhut des Staates anvertraut sind, vor Gewalt im Strafvollzug zu schützen.“

Die SPD-Fraktion werde das Thema auf die Tagesordnung des Rechtsausschusses am 13. Januar setzen lassen. Ministeriumssprecher Ulrich Hermanski wies die Kritik Jägers zurück. Es werde ermittelt. Bisher gebe es nur unbewiesene Behauptungen. „Solange niemand die Sachlage kennt, können wir uns auch nicht dazu äußern.“

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