Jeanne d'Arc: Politisch missbraucht und ewig verehrt

Paris (dpa) - Zuerst rettete sie Frankreich, dann wurde sie auf dem Scheiterhaufen als Hexe verbrannt, um schließlich mehr als 450 Jahre später vom Vatikan heiliggesprochen zu werden: Jeanne d'Arc, Nationalmythos, Märtyrerin und Spielball politischer Interessen.

Auch heute noch wird das Bauernmädchen, das den Befreiungszug von der englischen Besatzungsmacht anführte und dem rechtmäßigen Erben Karl VII. auf den Thron half, politisch instrumentalisiert. Frankreichs rechtsradikale Partei Front National (FN) hat sie zu ihrer Ikone im Kampf gegen Ausländer gemacht. Jährlich am 1. Mai begeht die Partei in Paris ihren eigenen Gedenktag für die Nationalheilige. Ihr 600 Geburtstag wird deshalb eher still und gedeckt gefeiert.

Jeanne d'Arc soll am 6. Januar 1412 im lothringischen Domrémy geboren sein. Weder für das Geburtsjahr noch für den genauen Tag gibt es zuverlässige Quellen. Sicher hingegen ist, dass zu dieser Zeit der Hundertjährige Krieg wütete. Frankreich und England bekämpften sich seit Jahrzehnten unerbittlich. Es ging um den französischen Thron, auf den die Engländer mit Hinweis auf das Erbrecht Ansprüche erhoben. Als die Engländer die Oberhand gewannen, soll das Mädchen „himmlische Stimmen“ gehört haben, die befahlen, den Prinzen zum König zu machen.

Nichts Ungewöhnliches, denn die ersten Visionen hatte die Tochter wohlhabender Bauern bereits als 13-Jährige. Laut Gerichtsprotokoll sollen ihr die Heiligen Katharina und Margareta erschienen sein und der Erzengel Michael. Von ihnen soll sie den Befehl erhalten haben, Frankreich von den Engländern zu befreien.

Im Mai 1429 war es dann soweit: Die 17-jährige Seherin befreite mit einer kleinen Begleittruppe das von den Engländern besetzte Orléans, zwei Monate später, im Juli 1929, wurde Karl in Reims zum König gekrönt. Jeanne wollte jedoch die Engländer ganz vom Festland vertreiben und bat den König, Paris mit Waffen zu befreien. Der Versuch scheiterte und Karl VII. wandte sich von ihr ab. Wegen Irrlehren und notorisch rückfälliger Ketzerei wurde sie am 29. Mai 1431 in Rouen auf dem Scheiterhaufen verbrannt.

Vor dem Hintergrund veränderter politischer Verhältnisse wurde sie am 7. Juli 1456 rehabilitiert. Karl hatte Frankreichs Position als dominierende Großmacht in Europa wieder hergestellt und wollte unter anderem der anhaltenden Kritik gegen das Urteil der im Volk noch immer beliebten Jeanne d'Arc ein Ende setzen. Mehrere Jahrhunderte später entdeckte der Vatikan ihre tiefe Frömmigkeit und sprach sie 1909 selig und 1929 heilig.

Als Nationalmythos wurde Jeanne, die sich selbst „la Pucelle“ (die Jungfrau) nannte, politisch vielseitig instrumentalisiert: Von der Kirche wegen ihrer Frömmigkeit, von den liberalen Republikanern wegen ihres Mutes gegenüber den Herrschenden. Während des Zweiten Weltkriegs wurde sie zur Symbolfigur für den Widerstand gegen die deutsche Besatzung. Heute dient sie den extremen Rechten in Frankreich als Ikone im Kampf gegen Ausländer.

Gefeiert wird die ungewöhnliche Frau in diesem Jahr vor allem dort, wo sie gewirkt und gelebt hat. Im lothringischen Vaucouleurs wird am 26. Februar der Auszug der bewaffneten Johanna aus der Stadt nachgespielt. In Domrémy, wo heute noch ihr Geburtshaus und ihre Taufkirche stehen, finden von Mai bis Dezember Konzerte, Ausstellungen und historische Kolloquien statt.

Die Stadt Orléans hat auch 600 Jahre später nicht vergessen, wer sie einst befreite und widmet ihr am 6. Januar eine große Feier in der Heilig-Kreuz-Kathedrale. Rouen, die Stadt, in der sich das traurigste Kapitel in dem Leben der Jungfrau abspielte, rehabilitiert sich feierlich. Mit einem großen Jeanne d'Arc-Fest am 2. Juni gedenkt sie dem Nationalmythos.

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