Interview mit Pro Generika-Geschäftsführer Was tun gegen Engpässe bei Medikamenten?

Berlin · Bei mehr als 200 Medikamenten soll es zur Zeit in Deutschland Lieferengpässe geben. Pro-Generika-Geschäftsführer Bork Bretthauer spricht im Interview über Probleme bei den Arzneien und mögliche Gegenrezepte.

 Verschiedene Pillen und Tabletten liegen auf einem Teller.

Verschiedene Pillen und Tabletten liegen auf einem Teller.

Foto: dpa/Matthias Hiekel

Viele Patienten sorgen sich, denn immer öfter sind ihre benötigten Medikamente in den Apotheken nur schwer verfügbar. Nach Angaben des Bundesinstituts für Arzneimittel und  Medizinprodukte gibt es aktuell Lieferengpässe bei mehr als 200 Präparaten – ein neuer Höchststand. Über Risiken und Gegenmittel informiert der Geschäftsführer von „Pro Generika“, Bork Bretthauer. Der Verband vertritt die Interessen der Hersteller von Nachahmer-Präparaten, die etwa drei Viertel des deutschen Arzneimittelmarktes ausmachen.

Herr Bretthauer, wie konnte es zu dem Problem kommen?

Bork Bretthauer: Die gesundheitspolitische Maßgabe war es, vor allem die Kosten der Arzneimittelversorgung für die gesetzlichen Krankenkassen zu senken. Das Mittel dafür sind Rabattverträge zwischen Kassen und Herstellern. Auch Krankenhäuser bildeten Einkaufgemeinschaften, um die Preise zu senken. Das hat zu den gewünschten Einsparungen geführt, aber eben auch zu der Nebenwirkung, dass sich die Herstellung mancher Präparate nicht mehr rechnet. In der Folge kaufen Unternehmen die Wirkstoffe zum Beispiel in Asien statt in Europa, wodurch die Lieferketten störungsanfälliger geworden sind.

Welche Patienten sind am stärksten betroffen?

Bretthauer: Bei den Engpässen handelt es sich um ganz verschiedene Medikamente, um wichtige Schmerzmittel, aber auch um Medikamente gegen Bluthochdruck und Krebs. In einigen Fällen fehlten Narkosemittel, Operationen mussten dann verschoben werden. Das sollte ein Weckruf für die Politik sein, um gegen solche Engpässe vorzugehen.

 Bork Bretthauer

Bork Bretthauer

Foto: Pro Generika/ Svea Pietschmann/Svea Pietschmann

Ihr Appell wurde bereits erhört. Erst vor wenigen Tagen ist das sogenannte Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung in Kraft getreten.

Bretthauer: Dieses Gesetz ist aber leider kein Gegenmittel, denn es hat an dieser Stelle nur einen Appell-Charakter. Notwendig wäre, dass Krankenkassen für eine bestimmte Arznei mit mehreren Herstellen Rabattverträge abschließen müssen, anstatt es nur bei einem zu belassen. Wird es bei dem eng, könnten die anderen einspringen. Aber dazu wurden die Kassen nicht verpflichtet.

Sie vertreten einen großen Teil der Pharmaindustrie. Muss die sich nicht auch an die eigene Nase fassen?

Bretthauer: Der Glaube, die Unternehmen seien nicht an einer sicheren Arzneimittelversorgung interessiert, ist abwegig. Die Hersteller versuchen jeden Tag, den Bedarf in Deutschland zu decken. Aber die Marktverengung findet ja längst nicht mehr nur in Deutschland statt, sondern auf dem gesamten Weltmarkt. Auch, weil es dort immer weniger Wirkstoff-Hersteller gibt. Kurzfristig wird man das nicht ändern können. Also muss man sich auf die Vorschläge konzentrieren, die auf dem Tisch liegen. Und dazu gehört eben zuallererst eine echte Verpflichtung der Krankenkassen, sich bei Rabattverträgen auf mindestens jeweils drei Anbieter zu fokussieren, um das Ausfallrisiko zu minimieren.

Was würde denn noch helfen?

Bretthauer: Deutschland übernimmt im nächsten Jahr die EU-Ratspräsidentschaft. Das ist eine gute Gelegenheit, um über Maßnahmen für eine Stärkung der Produktion von Arzneimitteln in Europa nachzudenken. Das könnte die Abhängigkeit von anderen Märkten verringern. Es gehört aber auch zur Wahrheit dazu, dass die Grundversorgung mit Generika, die sich ohnehin bereits auf dem denkbar niedrigsten Preisniveau befindet, unterfinanziert ist. Wenn ein internationaler Zulieferer seine Wirkstoffe lieber nach Indonesien verkauft als nach Deutschland, weil er dort bessere Preise erzielt, kann das auch Folgen für die Versorgung unserer Patienten haben.

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