Henryk M. Broder: Porträt eines manischen Provokateurs

Gerade wollte der Publizist Henryk M. Broder noch Präsident des Zentralrats der Juden werden, nun zieht er zurück.

Düsseldorf. Wer sich selbst auf der "Achse des Guten", so Henryk M. Broders Internet-Auftritt, verortet, der steht natürlich für größere Aufgaben bereit. "Meine Kippa liegt im Ring", ließ Broder jüngst per "Tagesspiegel" dem Zentralrat der Juden mitteilen. Und auch wenn dieser die angekündigte Kandidatur des "manischen Provokateurs" ("Süddeutsche") für die Präsidentschaft als Witz abtat und darauf verwies, dass Broder bislang keinerlei Engagement in den Jüdischen Gemeinden gezeigt hatte, war eine merkwürdige Unsicherheit mit Händen zu greifen.

Denn nicht die Kandidatur, die sich jetzt tatsächlich als PR-Gag entlarvte, sondern Broders Kritik am Zentralrat als wirkungslose "Reue-Entgegennahme-Maschine" traf durchaus einen wunden Punkt. Daran ändert auch nichts, dass Broder im aktuellen "Spiegel" erklärt, er habe gar nicht ernsthaft kandidieren, sondern nur den Zentralrat "aufmischen" wollen.

Durch solche Aktionen hat der Publizist sein Etikett weg: als "Pausenclown", der "schon lange das Florett gegen die Kreissäge eingetauscht" habe ("Süddeutsche") oder als "Dieter Bohlen des deutschen Feuilletons", der ständig auf Krawall aus sei ("Taz").

So machte es Broder auch diesmal: Die Zentralratspräsidentin Charlotte Knobloch nannte er beharrlich "eine nette Dame", aber für den Job völlig ungeeignet. Auslöser der Attacke war ihre Erklärung nach dem Mord an einer Ägypterin in einem Dresdner Gerichtssaal, in der sich der Zentralrat mit der muslimischen Minderheit in Deutschland solidarisch erklärte.

Für Broder natürlich ein Unding. Der Zentralrat dürfe sich nicht "als das gute Gewissen Deutschlands aufführen", das sei "kleinkarierter Größenwahn". Broder liebt eher das etwas grobe Karo und kündigte daher an, unter seiner Führung werde sich der Zentralrat stattdessen als Weltgewissen betätigen, mit Schwerpunkt Sudan, China, Iran usw., mit Ausnahme Palästinas natürlich.

Begonnen hatte Broder einst auf der äußersten Linken bei den "St.-Pauli-Nachrichten", einer linksradikal-pornographischen Polit-Postille. In deren Redaktion lernte er in den 70er Jahren auch den späteren "Spiegel"-Chef Stefan Aust kennen, der ihm dann regelmäßig die Feuilleton-Spalten seines Magazins öffnete. Um das alte "Pardon"-Motto "Die größten Kritiker der Elche waren früher selber welche" aufs Schönste zu bestätigen, zieht er da gegen alles zu Felde, was er für links oder rückgratlos liberal hält. Und wenn es gilt, den Moslems irgendwo auf der Welt die Ohren lang zu ziehen, ist er zuverlässig zur Stelle.

Sein Hauptkampffeld ist aber der Antisemitismus oder das, was Broder dafür hält. Wer Israels Umgang mit den Palästinensern nicht vollständig in Ordnung findet, wird als Antisemit beschimpft. Sein Credo "Ein antizionistischer Jude ist tendenziell ein Antisemit" führte dazu, dass Broder die gefährlichsten Antisemiten unter liberalen oder linken Juden findet. Kritik an Israel, dem Staat gewordenen Zionismus, ist ihm nur notdürftig verkleideter Antisemitismus. Prominentestes Opfer Broders war Evelyn Hecht-Galinski, die Tochter des letzten Präsidenten des Zentralrats der Juden, die sich nach ihrer Kritik am Libanon-Krieg schließlich nur vor Gericht gegen die Abstempelung als "Antisemitin" zu wehren wusste.

Allerdings hatte Broder, der sonst keinem Rechtshändel aus dem Weg geht, auch einen Vorschlag, der die Gerichte entlasten könnte. Als Zentralratspräsident wollte er den Straftatbestand der Holocaust-Leugnung abschaffen. Denn der gebe Nazi-Provokateuren nur eine Gelegenheit, billig in den Mantel des Märtyrers zu schlüpfen. Manchmal hat der manische Provokateur wohl nicht ganz Unrecht.

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