Guido Westerwelle: Der Dauerläufer – endlich am Ziel

Schmerzhafte Wahlniederlagen, viele Anfeindungen und einige Rollenwechsel liegen hinter Guido Westerwelle. Das Jahr 2009 wurde das Jahr seines Triumphes. Wird sich die Außenpolitik durch ihn verändern?

Düsseldorf. Es gibt Menschen, die unter Druck so richtig aufblühen, die öffentlicher Skepsis mit selbstbewusster Symbolik begegnen. Guido Westerwelle gehört zu dieser Spezies. Als sich die versammelte bundesdeutsche Medienlandschaft Anfang November über die Frage ausließ, ob der neue Bundesaußenminister tatsächlich ein guter Repräsentant dieses Landes in der Welt sein würde, und jeder seiner Schritte genauestens verfolgt wurde, da setzte er den ersten ganz gezielt in die "falsche" Richtung.

Polen und die Niederlande besuchte Deutschlands Außenminister zuerst und nicht - wie es bisher Usus war - Frankreich oder die USA. Es sei Zeit, den kleinen Nachbarn Deutschlands mehr Wertschätzung entgegenzubringen, erklärte er. Und als Westerwelle am Ende seiner ersten Rundreise auch in Frankreich eine gar nicht distanzierte, sondern herzliche Atmosphäre erzeugen konnte, mussten ihm auch seine Kritiker attestieren: Feuerprobe bestanden!

Die Skepsis gegenüber Westerwelle lag nicht so sehr in seiner außenpolitischen Unerfahrenheit begründet. Sie rührte mehr aus Westerwelles größten Talenten: seiner Fähigkeit, brillant zuzuspitzen, seiner Rhetorik, seiner treffsicheren Angriffslust.

Mit diesen Eigenschaften erarbeitete sich der 48-Jährige auch bei politischen Gegnern Respekt - aber es sind nicht gerade Charaktereigenschaften, die man dem optimalen Diplomaten zuschreibt. Hinzu kommt Westerwelles Geschichte als Politiker, die nicht frei von Brüchen und plötzlichen Rollenwechseln ist.

Seinen politischen Kompass verlor er trotzdem nie. So ist es nahezu allein sein Erfolg, dass die FDP nach elf Jahren in der Opposition die erfolgreichste Phase ihrer Geschichte erlebt. Der Lohn für Westerwelles große Ausdauer, die der begeisterte Sportler auch beim Laufen an den Tag legt.

Der streitbare Liberale in Westerwelle war schon sehr früh zu erahnen. Nach der Trennung der Eltern mit drei Brüdern aufgewachsen beim Vater, fiel er schon früh durch große Lust aufs Diskutieren auf. Im Magazin "Cicero" erinnert sich ein älterer Nachbar, wie der Realschüler ihm im "oberlehrerhaften Ton" Gott und die Welt erklärte. Und ein Mitschüler berichtet, dass er sich mit seiner provokant-vorlauten Art später auf dem Gymnasium in Bonn viele Feinde machte.

Eine Konstellation, die Westerwelle durchaus nicht als Makel, sondern eher als Motivation empfand. In dieser Zeit bildete sich vieles von dem heraus, was ihn auch später antreiben sollte: der Leistungsgedanke, die Wertschätzung der Meinungsfreiheit und eine gewisse Abneigung gegen eine Form von Hedonismus, die er vor allem im links-alternativen Milieu ausmachte.

Als der Abiturient Ende 1980 bei den im Aufbau befindlichen Jungliberalen in Bonn anklopfte, machte er trotz seiner oft aneckenden Art schnell Karriere. Schon ein Jahr später wurde er Pressesprecher des Bundesverbands der Julis, die Eintrittskarte zum Bundesvorstand - und zur großen Politik in der FDP Genschers und Graf Lambsdorffs.

Als Guido Westerwelle der Schritt ins Rampenlicht gelang, war diese FDP schon Geschichte. Bei der Bundestagswahl 1994 hatte Schwarz-Gelb nur hauchdünn die Mehrheit verteidigt, das Ende der Ära Kohl zeichnete sich ab. Und für den frisch gekürten 33-jährigen Generalsekretär kam es knüppeldick: Die FDP taumelte in den Jahren 1995 bis 1998 von einer verlorenen Landtagswahl zur nächsten.

Der junge General spielte nun seine Talente aus, attackierte die Opposition, leistete sich gelegentlich gar einen Seitenhieb gegen Kohl - aber gewann kaum Sympathien in der Bevölkerung. Zu marktradikal, zu aggressiv kam er bei den Menschen an. "Lautsprecher" wurde sein Spitzname. Es war der Beginn der ersten Wandlung des Guido Westerwelle.

Es ist bis heute nicht ganz klar, wer ihn zu dieser Wandlung trieb. War es schon da Jürgen W. Möllemann, der größte innerparteiliche Konkurrent, der Westerwelle 2001 beim Kampf um den Parteivorsitz jedoch half? Oder ging er aus eigenem Antrieb für eine Stunde in den Big-Brother-Container und wurde in den folgenden Jahren fast schon Dauergast bei "Sabine Christiansen"? Guido Westerwelle wollte nicht mehr kalt wirken und enthüllte eine zweite Seite: humorvoll, pointiert, nicht ständig auf Angriff gepolt.

Seiner Popularität schien das anfangs zu nutzen - doch der Erfolg Möllemanns in NRW im Jahr 2000 blendete ihn. Es folgte die Schussfahrt in den Spaßwahlkampf, zum Guidomobil und "Projekt18", ja, am Ende gar zur ersten "Kanzlerkandidatur" eines FDP-Politikers. Während eines Redaktionsbesuchs bei unserer Zeitung schilderte er später begeistert, wie die Leute zum Guidomobil geströmt seien. Hatte er tatsächlich geglaubt, dass die ihn auch alle wählen würden?

Die Bundestagswahl 2002 brachte ein mageres Ergebnis, aber schlimmer noch war die verheerende Wirkung des Spaßetiketts, das die FDP so schnell nicht wieder los wurde. Antisemitismus-Vorwürfe gegen Möllemann sorgten für weiteren Gegenwind. Dem Parteichef wurde vorgeworfen, er habe dessen wiederholte Israel-Kritik nicht früh genug gestoppt. Ein Jahr später sprang Möllemann in den Tod - und spätestens nun war die "Spaß-Phase" vorbei.

Es folgte die zweite Wandlung. Westerwelle traf der Suizid schwer. Doch als er begann, dies auch öffentlich zu zeigen, wurde sein Glaubwürdigkeitsproblem offenkundig: Spielte er wieder nur eine Rolle, die er wieder ablegen würde, oder war das nun der wahre Guido Westerwelle? Sichtbar war: Er wirkte nachdenklicher, übte Selbstkritik, öffnete sich.

Dabei half ihm wohl auch sein Partner Michael Mronz, den er in jenem Sommer 2003 kennenlernte, kurz nach dem Freitod Möllemanns. Die Begegnung führte wenig später zum Outing - für Westerwelle eine Befreiung, für die Öffentlichkeit ein Zeichen: hinter der Politiker-Fassade wird der Mensch erkennbar.

Es spricht vieles dafür, dass der FDP-Chef das Unstete abgelegt hat. So wie er heute auftritt, wirkt er authentisch. Und als Verhandler in der Koalition hat er sich in einigen zentralen Punkten durchsetzen können. Die Westerwelle-FDP kommt zwar nicht ohne das Steuersenkungs-Mantra aus - trotz der unklaren Gegenfinanzierung -, aber sie ist wieder mehr: der Bürgerrechtsflügel, mit dem Rücktritt von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger 1996 zeitweise verschwunden, ist auch dank Westerwelles Einsatz zurück.

Ob die deutsche Außenpolitik aber künftig zuvorderst Westerwelles Werk wird, oder ob sich hier seine Duz-Freundin Angela Merkel stärker profilieren kann, ist noch nicht entschieden. Die allgemeine Entwicklung, dass internationale Übereinkommen immer öfter von Staats- und Regierungschefs persönlich getroffen werden, spricht für Merkel.

Westerwelles kampferprobter Charakter, der seinen Aufstieg trotz aller Beliebtheitsdefizite ermöglichte, spricht für ihn. In der "Causa Steinbach", als er den Polen im Alleingang zusicherte, die Vertriebenen-Präsidentin aus dem Zentrum gegen Vertreibung herauszuhalten, hat er einen Prestigesieg errungen. Angela Merkel hätte das Thema lieber geräuschlos erledigt. Doch auch der neue Guido Westerwelle ist kein Freund der Stille.

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