Große Protestwelle rettet das Sozialticket

Schwarz-Gelb hat den Widerstand gegen die Abschaffung des Sozialtickets unterschätzt. Obdachlose protestieren am Mittwoch vor dem Landtag.

Große Protestwelle rettet das Sozialticket
Foto: dpa

Düsseldorf. Nach breitem öffentlichen Protest will die nordrhein-westfälische Landesregierung nun doch am Sozialticket für Bedürftige im Nahverkehr festhalten. Auch 2018 soll es bei einem Landeszuschuss von 40 Millionen Euro für das verbilligte Ticket bleiben, teilte Verkehrsminister Hendrik Wüst (CDU) Dienstag in Düsseldorf mit. Darauf hätten sich die Koalitionsfraktionen von CDU und FDP verständigt. Mit dem Ticket können derzeit mehr als 300.000 Menschen mit geringem Einkommen im Nahverkehr preisgünstiger Bus und Bahn fahren.

Ursprünglich hatte die schwarz-gelbe Regierung geplant, die Förderung stufenweise zu kürzen und 2020 ganz zu streichen. Dagegen waren vor allem Sozialverbände und Oppositionsparteien Sturm gelaufen. Offenbar hatte die Regierung die Protestwelle zunächst unterschätzt. Nach der breiten Kritik stellte Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am Wochenende eine sozialverträgliche Lösung in Aussicht.

„Das ist ja schön, dass der Druck so groß war“, kommentierte der Sozialarbeiter Oliver Ongaro vom Straßenmagazin „fiftyfifty“ die Kehrtwende. Die Initiative, die in den vergangenen Jahren immer wieder von Künstlern wie Sänger Campino von den Toten Hosen unterstützt worden ist, will dem Ministerpräsidenten dennoch eine bereits geplante Protestaktion vor dem Landtag nicht ersparen.

Parallel zu der Straßenaktion will die SPD-Opposition in einer Aktuellen Stunde des Landtags trotz der neuen Entwicklung die „Koalition der sozialen Kälte“ angreifen — nun aber mit deutlich weniger Wind in den Segeln. Die Grünen hatten Laschet bereits bei den Haushaltsberatungen vor zwei Wochen vorgeworfen, den eigenen Mitarbeiterstab aufzublähen und den Verzicht auf neue Kredite zu feiern, dabei aber an den Ärmsten der Gesellschaft zu sparen. Nun fordern sie von Wüst Klarheit für die Zeit ab 2019.

Auch der Sozialverband VdK, die Caritas, die Arbeiterwohlfahrt und Gewerkschaften hatten sich empört gegen Kürzungen beim Sozialticket geäußert. Nun zog die noch junge Landesregierung die Reißleine. „Die Debatte in den letzten Tagen hat viel Kritik hervorgerufen“, räumte Wüst ein. „Es ist unbestritten, dass Bedürftige auch in Zukunft zu fairen Preisen mobil sein müssen.“

Das kommende Jahr werde für eine Neuordnung genutzt. „Die Zuschüsse des Landes für vergünstigte Mobilitätsangebote werden von den Verbünden und Kommunen sehr unterschiedlich eingesetzt“, sagte Wüst. „In der Praxis hängt es häufig vom Wohnort der Betroffenen ab, ob sie sich ein Sozialticket überhaupt leisten können. Die Preise und Ticketmodelle variieren sehr stark und es gibt Kreise, die kein Sozialticket anbieten.“ Ziel sei es, dass komplette Ticketsystem in NRW landesweit zu vereinfachen und zu modernisieren.

Der Generalsekretär der NRW-CDU, Josef Hovenjürgen, erklärte, die Finanzierung des Sozialtickets aus dem Landeshaushalt sei „strukturell falsch angelegt“.

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