Trinkfeste Frauen Große Etrusker-Schau in Karlsruhe

Karlsruhe (dpa) - Für die Griechen war es ein Skandal: Männer und Frauen tafeln gemeinsam beim festlichen Bankett - das geht gar nicht. Zumal die Etruskerinnen „äußerst trinkfest und sehr schön“ gewesen sein sollen.

Trinkfeste Frauen: Große Etrusker-Schau in Karlsruhe
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Das notierte zumindest der antike griechische Geschichtsschreiber Theopomp und unterstellte zugleich ein allzu freizügiges Verhalten.

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Es sind solche Geschichten, die andere über die Etrusker verbreitet haben. Und es sind die Mythen der anderen, die sie geheimnisvoll erscheinen lassen und ihr Bild bis heute prägen. Doch wer waren die Etrusker wirklich?

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Von ihnen selbst ist keine Literatur überliefert, lediglich Inschriften und Urkunden. Das Badische Landesmuseum lässt bei der seit vielen Jahren größten deutschen Etrusker-Schau deshalb mannigfaltige archäologische Funde sprechen. Von uralten Reliefs über Statuen, Waffen und Schmuck bis hin zu Alltags- und Kultgegenständen: Die Ausstellung „Die Etrusker - Weltkultur im antiken Italien“ präsentiert im Karlsruher Schloss von Samstag an rund 400 hochkarätige Exponate vor allem aus italienischen Museen (bis zum 17. Juni 2018). Vieles davon ist erstmals in Deutschland zu sehen.

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Das antike Volk der Etrusker beherrschte vor den Römern Nord- und Mittelitalien und hat zwischen dem 9. und 1. Jahrhundert vor Christus auf dem Boden der heutigen Toskana, Latiums, Umbriens, der Emilia-Romagna und Teilen Kampaniens Bedeutsames geleistet: „Die Etrusker haben Italien zivilisiert“, sagt Museumsdirektor Eckart Köhne. Sie sind aus Sicht der Ausstellungsmacher zu Unrecht im Schatten von Griechenland und dem antiken Rom.

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Warum schon Zeitgenossen von ihnen fasziniert waren, lassen kostbare Grabbeilagen erahnen, die in der mit dem italienischen Kulturministerium erarbeiteten Schau versammelt sind: reich verzierte bronzene Trinkflaschen, Bratspieße, Zangen, Helme, Messer, Speerspitzen und ganze Streitwagen bei den Männern; Karaffen, fein gearbeitete Töpferwaren, Schächtelchen aus Elfenbein oder fein ziselierte Spangen, Ketten und Reife aus Gold bei den Frauen. Sie künden vom Reichtum der Seefahrer, Händler und Eisenerz-Exporteure, die schon früh Metall-Techniken wie Legieren, Schmieden oder Gießen beherrschten.

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Für ihre Verstorbenen legten sie Grabhügel und ganze Totenstädte an, deren Innenleben Besucher der Schau anhand von begehbaren Modellen entdecken können. Zu den berühmtesten Fundstätten zählen die Unesco-Denkmäler Cerverteri und Tarquinia in den heutigen Provinzen Rom und Viterbo (9. bis 1. Jahrhundert v.Chr.).

Immer wieder taucht auf Reliefs, Wandmalereien und Urnendeckeln ein Motiv auf: das Bankett - Festmahlszenen mit Dienern, Musikern und Tänzerinnen. Für Kuratorin Susanne Erbelding ein klarer Hinweis auf Wohlstand, aber auch auf die emanzipierte Stellung der Etruskerin. Denn Männer und Frauen lagen beim Mahl gemeinsam zu Tisch. Das und der Luxus stießen bei Griechen auf: Zweimal am Tag ließen sich Etrusker „üppige Tafeln bereiten und alles übrige, was zu übertriebener Schwelgerei gehört“, kritisierte Historiker Diodor.

Im 6. Jahrhundert v.Chr. waren die Etrusker auf dem Höhepunkt der Macht: „Etrurien [war] so mächtig, dass es schon nicht nur die Lande, sondern auch das Meer über die ganze Länge Italiens von den Alpen bis zur Sizilischen Meerenge mit dem Ruhm seines Namens erfüllt hatte“, so der römische Historiker Livius. Dem Besucher macht eine interaktive begehbare Landkarte sichtbar, wo sich die Siedlungen befanden.

Die Etrusker galten als innovative Städtegründer, die Atriumhäuser, gepflasterte Straßen, Kanalisationssysteme und Stadtmauern hatten. Und früh eine Rechtsordnung, wie die bronzene „Tabula Cortonensis“ (3.-2. Jh. v.Chr.) belegt. Der Export von Bronzen, dunkler Bucchero-Keramik, Getreide und Wein florierte; von den Griechen wiederum wurden exquisite Keramiken importiert.

100 Jahre herrschten Etrusker auch über Rom, bis 509 v.Chr. der letzte etruskische König, Lucius Tarquinius Superbus, entmachtet und die römische Republik errichtet wurde. Eine Reihe von militärischen Niederlagen leitete den Niedergang der Etrusker ab dem 3. Jahrhundert ein - und die allmähliche Verschmelzung mit den Römern, in deren Staat sie 89/88 v. Chr. aufgingen.

Ihre Bauten und Traditionen lebten weiter, wie die lebensgroße Bronzestatue des Etruskers Avle Metele (2.-1.Jh.v.Chr.) zeigt: Es waren die Etrusker, von denen die Römer die Toga abgeschaut haben. Und nicht nur das. „Die Figur steht für den großen kulturellen Einfluss dieser einzigartigen Zivilisation auf Rom und das antike Italien“, sagt Museumschef Köhne. Der Römer Maecenas - nach ihm ist das Mäzenatentum benannt - wiederum war stolz auf seine etruskische Abstammung.

Die Etrusker faszinieren bis in die Neuzeit, wie eines der Highlights der Ausstellung zeigt: die 2300 Jahre alte langgestreckte Bronzefigur „Ombra della Sera“ („Abendschatten“) - die Mona Lisa der Etrusker - aus dem heutigen Volterra im Herzen der Toskana. Sie erinnert stark an die ausgehungerten Statuetten von Alberto Giacometti (1901-1966).

Bei so viel Nachhall - wie konnten die Etrusker da literarisch verstummen? Kuratorin Erbelding erklärt dies unter anderem mit deren fremden Sprache und Religion. „Vieles wurde einfach nicht verstanden.“ Oder wurde von der christlich geprägten Nachwelt nicht als überlieferungswert angesehen. Der römische Kaiser Claudius, der 41-54 n.Ch. regierte, soll immerhin eine 20-bändige Geschichte der Etrusker verfasst haben. Doch die ist verschollen.

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