Glaubwürdig und unerschrocken

Landesbischöfin Margot Käßmann ist hohe Favoritin bei der Wahl zum Ratsvorsitz der Evangelischen Kirche.

Ulm. Die Protestanten in Deutschland wollen eine Frau an ihrer Spitze, ein klareres Signal dafür hätten sie wohl nicht geben können: Als einzige Bewerberin schaffte es Hannovers Landesbischöfin Margot Käßmann auf der Synode in Ulm am Dienstag schon im ersten Wahlgang in den neuen Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD).

103 von 144 Synodalen stimmten für die 51-Jährige, die am Mittwoch bei der Wahl des EKD-Ratsvorsitzenden als Nachfolgerin von Wolfgang Huber Kirchengeschichte schreiben dürfte.

Alles deutet darauf hin, dass die 25 Millionen deutschen Protestanten erstmals von einer Theologin repräsentiert werden. Damit bekämen sie eine weibliche Doppelspitze, denn Katrin Göring-Eckhardt ist bereits zur Präses der Synode gewählt worden.

Vom steinigen, aber lohnenden Weg handelt ein evangelisches Kirchenlied. Käßmann steht sinnbildlich für diesen Weg: Die vierfache Mutter erkrankte vor drei Jahren an Brustkrebs, vor zwei Jahren ließ sie sich scheiden, doch fand sie stets die Kraft, weiterzumachen. Und es sind wohl diese banal menschlichen Wechselfälle im Leben der Vorzeige-Protestantin, die sie nicht nur prominent, sondern populär machen.

"Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Trübsal, beharrlich im Gebet", zitierte Käßmann vor der Synode den Apostel Paulus. Die Rückbesinnung auf Grunddisziplinen des Glaubens ist ihr ein Anliegen - wie das Lesen der Bibel und das Gebet. Zugleich plädiert sie für eine Öffnung der Kirche, etwa in Radfahrerkirchen oder Angeboten in Freizeitparks.

Die gebürtige Marburgerin wurde 1985 Gemeindepfarrerin im hessischen Frielendorf, 1999 wurde sie zur Landesbischöfin gewählt. Käßmann war schon einmal vor sechs Jahren bei der Wahl um den EKD-Vorsitz gegen Wolfgang Huber angetreten.

Die damalige Niederlage gegen den beliebten Berliner Bischof schadete ihr nicht, im Gegenteil: Die Bischöfin der Landeskirche Niedersachsen konnte weiter an Medienpräsenz und Profil zulegen, zeigte sich als Streiterin in sozialpolitischen Fragen ebenso wie in dem stockenden Ökumeneprozess mit den Katholiken. Käßmann nahm auch gegenüber Papst Benedikt XVI. kein Blatt vor den Mund und nannte etwa dessen Positionen zur Sexualität "weltfremd".

Respekt brachte Käßmann immer wieder ein, dass sie Familie und Beruf so gut unter einen Hut brachte. Doch spätestens mit ihrer Brustkrebserkrankung bekam dieses Bild Risse. Damals berichtete Käßmann, ihr Mann Eckhard, ebenfalls ein Pfarrer, könne schwer verarbeiten, dass sie als sonst so starke Frau dieses Problem nicht einfach gerade biegen konnte.

Kurz nach der Silberhochzeit zerbrach ihre Ehe. Sie wolle keine Fassade aufrecht erhalten, sondern ehrlich und wahrhaftig sein, sagte sie nach der Trennung. Sie habe auch an Rücktritt gedacht - die Unterstützung für sie war aber breit. Trotzdem stand vor der Synode nicht fest, ob die Toleranz groß genug ist, eine Geschiedene zur Ratsvorsitzenden zu machen. Das Signal von Dienstag fiel eindeutig aus - nun fehlt nur noch die Kür.

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