Bottrop Ulrich Erbens Hymnen auf die Wüste

Bottrop · „Festlegung des Unbegrenzten“ nennt der Maler seine Kunst im Josef Albers Museum.

 „Selinunt V“ nennt Ulrich Erben sein Bild aus dem Jahr 2016.

„Selinunt V“ nennt Ulrich Erben sein Bild aus dem Jahr 2016.

Foto: joachim Schulz/Joachim Schulz [email protected]

Vor zwölf Jahren reiste Ulrich Erben (79) mit einer kleinen Gruppe erstmals nach Syrien, besuchte Damaskus und machte längere Fahrten durch die scheinbar eintönige Wüste. Ausgerechnet dort fand der Maler das, was er suchte, das Zusammenspiel von Farben, Licht, Luft und Stille. Die Erinnerung daran lässt ihn nicht mehr los. Nun zeigt er im Josef Albers Museum das Ergebnis. Es ist ein Höhepunkt seiner Kunst.

Diese Malerei folgt dem
Rhythmus des Tageslichtes

„Festlegung des Unbegrenzten“ (2016) heißt die Serie sowie das erste Bild im Eingang in das lichte, fast schon transparente Museum. Himmelblau und in leichtem Graublau gerahmt ist es. Am unteren Rand hellt es sich etwas auf. Der Rahmen um die Farbpartie ist eine Folge von Farben, die sich im Prozess des Malens geändert haben. Das Tageslicht dringt seitlich durch den Glaskubus und folgt der Farbentwicklung der Malerei. Schon bei der Ausstellung in Goch war dieses Werk ein Hingucker.

In Bottrop sind es gleich 25 Werke, in denen der pensionierte Professor der Kunstakademie Münster beweist, wie man malt, ohne zu sprayen. Wie man Farbflächen nuanciert, die ohne die Handschrift des Künstlers auskommen, und dennoch vibrieren. „Es ist wahnsinnig schwer, so ein Bild zu schaffen“, sagt er. „Man muss unglaublich konzentriert sein. Ein Spritzer, und es ist verdorben.“ Mit Bleistift und Lineal zeichnet er sich die Binnenform in den Senkrechten vor. Das müsse er, denn er wolle ja die strenge Form berücksichtigen.

„Festlegung des Unbegrenzten“ wirkt als Titel zunächst wie eine Kopfgeburt. Doch bei der näheren Beschäftigung mit dieser Malerei wird klar, was dieser Künstler will. Himmlische Farbbilder sind es, leicht dahin segelnde Bewegungen. Dafür hat er monatelang den Fotoapparat zur Hand genommen und den Himmel fotografiert. Studien zur Landschaft, zur Bewegung der Farbe harmonieren mit dem eingeschworenen Ziel, die Komposition zu verankern. Museumschef Heinz Liesbrock nennt es die „Spannung zwischen Geometrie und Natur, zwischen konzeptueller Strenge und Freiheit“.

Die Erinnerung an die
italienische Klassik ist geblieben

Erst jetzt wird deutlich, wie konsequent dieser Maler seinen Weg genommen hat. 1940 in Düsseldorf geboren, ging er als 16-Jähriger für zehn Jahre nach Rom, wo der Vater an der deutschen Schule unterrichtete. Der Sohn studierte an den Kunstakademien in Urbino, Venedig, Hamburg, München und Berlin. Vollgesogen mit klassischer Bildung kehrte er ins Rheinland zurück, lebt seit 1967 auf dem Thomashof, einem Gehöft mit klassizistischem Gebäude und Parkanlage in der Nähe von Goch und genießt in Düsseldorf an der Kaistraße die Freundschaft von Günther Uecker, der eine Etage über ihm sein Atelier hat.

Gemalt wird in Düsseldorf, aber die spezifische „Italianità“, dieses untrügliche Gespür für bildliche Proportionen, ist geblieben. Erben ist ja kein Hymniker, kein Romantiker, kein Fantast, sondern ein genauer Beobachter. Die Landschaft und der städtische Umraum sind wichtig, und die Erinnerung an das Gesehene fließt in die Bilder ein.

Was man diesem freundlichen, stillen und leisen Menschen zunächst kaum zutraut, ist die genaue Analyse. Das beweist eines der wenigen Arbeiten aus der Frühzeit seines Schaffens. 1968 entstand als Teil einer Serie ein Bild in weißer Ölfarbe auf Leinwand. Heute wirkt es wie ein Präludium, zugleich fast wie eine skulpturale Arbeit. Denn die Ölfarbe ist wie eine dicke, fette Paste aufgetragen. Nur an den Rändern lässt sich die Malerei im Zwischenraum ahnen. Und dann gibt es die Leinwand, die die Malerei trägt, die aber auch ihre eigene, von Spritzern kündende Farbigkeit hat. 1972 machte er auf sich aufmerksam, indem er für die „Szene Rhein-Ruhr“ in Essen ein Lichtobjekt schuf. Er spannte ein Nesseltuch in einer Ecke auf und projizierte von hinten ein Licht auf das Tuch, das einerseits den Stoff durchdrang und andererseits gegen eine lichtundurchlässige Tafel prallte. So erzeugte er eine gedämpfte Lichtzone und ein Schattenfeld.

1988 entstehen jene Gemälde, die er als „Farben der Erinnerung“ zusammenfasst. Ein warmes Rotbraun, an verblassendes Ocker, ermüdetes Grauviolett sind in so dünnen Schichten aufgetragen, dass Ober- und Untertöne Klangvarianten bilden. Schon damals unterdrückte Erben die Fließspuren und betonte die Differenz und Transparenz der Farben.

1988 lernten sich Liesbrock und Erben kennen und schätzen. Erben liebt das Museum in Bottrop. Er sagt: „Die Architektur tritt hier zurück, damit die Kunst ihren Auftritt hat. Das ist in vielen Museen von bekannten Architekten nicht immer der Fall.“ Der Künstler empfindet es fast als Wunder, dass der Leiter des städtischen Hochbauamtes dieses Haus gebaut hat. Offensichtlich blieb er so bescheiden wie Erben selbst.

Liesbrock tut aber auch alles, um diese Kunst ins rechte Licht zu setzen. Er stellt ihr Werke von Josef Albers zur Seite, denn beide Künstler verdichten die Farbe und wissen, dass sich die Farbe im Kontext anderer Farben minimal verändert und dabei eine Dynamik entwickelt.

Erben pflegt die Komposition und den Verlauf der Farben auf dem Papier zu konzipieren. Die endgültige Entscheidung aber trifft er auf der Leinwand. Dann darf er spielen, lässt eine Farbe fast im Untergrund versinken, um eine andere wie durch eine geheime Anziehungskraft hervorzuholen. Rechtecke werden schräg angeschnitten, damit sie innerhalb des Bildes Bewegung suggerieren.

Je länger der Betrachter auf so ein Werk schaut, desto eher spürt er die Untergründe, die Zwischentöne und den latenten Rhythmus. Der große Lichtsaal, mit dem Nordlicht von oben, schafft die ideale Situation für Farben, die nun ihre leisen Triumphe feiern. Mit wenig mehr als Acryl, in das Pigmente gestreut sind.

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