„Tatort“ mit Industriehalde und Ruhrpott-Charme

Dortmund (dpa) - Ruß speiende Kokereien, rotglühender Feuerschein über dem Stahlwerk: Zu Schimanskis Zeiten ist das Ruhrgebiet noch ein Ort, in dem es Briketts vom Himmel regnet. Doch das war einmal.

Die Anlagen der Schwerindustrie dienen im neuen Dortmunder „Tatort“ nur noch als Kulisse. Ein Leitthema des neuen Ablegers der erfolgreichen Krimireihe soll der Strukturwandel sein.

Der Schichtwechsel, den das Ruhrgebiet vollzogen hat, berührt auch die Identitäten der neuen Kommissare. Im Mittelpunkt stehen gleich vier Ermittler, denen die Schauspieler Jörg Hartmann, Stefan Konarske, Anna Schudt und Aylin Tezel Leben geben sollen.

Die Figur von Jörg Hartmann ist ein gutes Beispiel für den Wandel im Pott: Seine Figur, Kommissar Peter Faber, ist eigentlich Dortmunder, hat aber lange Zeit in Lübeck gearbeitet. Er kommt zurück und entdeckt die Region neu. „Er ist politisch unkorrekt, porös - ein "bauchiger" Typ, ein bisschen "sausäckisch"“, beschreibt Hartmann seinen Kommissar. „Und die Toten sind ihm lieber als die Lebendigen.“

Geht es nach dem Schauspieler, soll der eigenbrötlerische Wiederkehrer Peter Faber Mundart, also Ruhrpott-Deutsch, sprechen. „Ich finde es traurig, dass überall nur noch Fernsehhochdeutsch gesprochen wird“, meint der Schauspieler, der in Herdecke, einer Nachbarstadt Dortmunds, geboren ist. Für seine Schauspielkollegen sei er schon jetzt der „Dortmund-Papa“.

Der WDR geht mit dem Dortmund-„Tatort“ neue Wege: Regisseur Thomas Jauch will vor allem zeigen, wie Menschen in der Arbeit miteinander funktionieren. Aus dem Privatleben der Ermittler erfährt der Zuschauer nur so viel, wie er auch über seine eigenen Arbeitskollegen weiß. Es geht nicht in die Wohnungen der Kommissare, dafür wird es bei der Dortmunder Mordkommission umso voller. „Die Luft muss für vier reichen“, sagt Jauch. Bis die Zuschauer die Dortmunder Ermittler ins Herz schließen, werde es sicher ein bisschen dauern, weil die Figuren sperrig seien und Tiefen mitbrächten, sagt der Regisseur. Es wird aber auch Humor dabei sein - trockener Humor, wie man ihn vom Ruhrgebiet kennt.

Die ostwestfälische Schauspielerin Aylin Tezel (28), bekannt aus dem prämierten Kinofilm „Almanya - Willkommen in Deutschland“, kümmert sich im Ruhrpott-„Tatort“ um das Migrationsthema. Ihre Rollenfigur, die deutsch-türkische Polizeioberkommissarin Nora Dalay, lebt im sozialen Brennpunktviertel der Dortmunder Nordstadt, sie will Ungerechtigkeit bekämpfen - und bei der Polizei Karriere machen. Das klingt ebenso nach Klischee wie das Rollenprofil von Schauspieler Stefan Konarske (32), der als vierter Mann des Teams erst am Montag bekanntgegeben wurde.

Konarske spielt den 30 Jahre alten Daniel Kossik. Das Rollenprofil: Stehplatz-Dauerkarte beim BVB, Hütte in der Laubenkolonie, Vater war „unter Tage“, der Bruder arbeitsloser Grubenarbeiter. Zu viel Klischee? „Finde ich nicht, Klischees sind ja ein Teil der Lebenswirklichkeit“, meint der Schauspieler, der vor allem durch den Detlev-Buck-Film „Knallhart“ bekanntgeworden ist.

Ab nächster Woche dreht das „Tatort“-Team gleich zwei Folgen am Stück - unter anderem an der stillgelegten Kokerei Hansa, auf der früheren Zeche Zollern und am Phönixsee, der auf dem Gelände eines ehemaligen Stahlwerks angelegt wurde. „Ich bin zuversichtlich, dass wir auch eine Halde haben“, sagt Drehbuchautor Jürgen Werner. Ebenso sicher werde sein, dass der Film 90 Minuten dauere und mit einem Tötungsdelikt beginne. Der Erfolg der „Tatort“-Reihe liege darin, dass die Krimis verortet sind und ein Lebensgefühl transportieren, sagt Gebhard Henke, „Tatort“-Koordinator bei der ARD.

Nach Angaben von WDR-Intendantin Monika Piel hat sich der Sender bewusst für die größte Stadt im bevölkerungsreichsten Ballungsraum Deutschlands entschieden. „Hier fallen einfach sehr viele Themen an“, sagt sie. Im Schatten von Schimanski (Götz George) soll das neue Team in keinem Fall stehen: Der neue Ableger soll sich weder an Schimanski anlehnen noch dagegen abgrenzen. Geografisch ist das neue Team ohnehin am anderen Ende des Ruhrgebiets angesiedelt - im Osten.

Trotz Lokalkolorits entsteht ein Großteil der Szenen nicht in Dortmund, sondern auf einem Studiogelände in Köln. Außenaufnahmen Dortmund, Innenaufnahmen Köln - auf diese Machart hat sich das Team verständigt, um Produktionskosten und damit Gebührengelder zu sparen.

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