Horror zu Halloween Tanzt der „Tatort“ zu oft aus der Reihe?

Berlin (dpa) - Die Geister, die er rief: Am Sonntagabend zeigte die ARD - passend zu Halloween am Dienstag (31.10.) - eine Art Horrorfilm als Sonntagskrimi. Der Frankfurter „Tatort“ mit Margarita Broich und Wolfram Koch hieß „Fürchte dich“ und drehte sich um ein Spukhaus samt Geist.

Horror zu Halloween: Tanzt der „Tatort“ zu oft aus der Reihe?
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Geht das zu weit?

Und auch sonst: Wird der „Tatort“ immer weniger den Zuschauererwartungen gerecht? Fällt er zu oft aus der Rolle? Ja, finden selbst ARD-intern einige Verantwortliche. Ein paar Fragen und Antworten:

Die hr-Fernsehspielchefin Liane Jessen hält Krimis generell für eine „säkularisierte Form des Horrorfilms“. Deshalb sei der Horror-„Tatort“ gar nicht so ein großes Experiment. Redakteur Jörg Himstedt spricht von einem sogenannten Hybrid-„Tatort“, der den klassischen Ermittler-„Tatort“ mit dem Genre des Horrorfilms verbinde und beide Genres ernstnehme. Horrorfilm und Kriminalfilm seien eine Art Fortführung des Märchenerzählens.

Nicht nur einmal. Am verrücktesten war wohl ein Film vor 20 Jahren. In der paranormalen Folge „Tod im All“ (1997) mit Ulrike Folkerts als Lena Odenthal sowie Gastrollen für Anke Engelke, Ingolf Lück, Dietmar Schönherr und Nina Hagen entpuppte sich am Schluss ein Wasserturm als Ufo mit Außerirdischen. Alles klar? Gar nichts klar!

Zu nennen sind laut Tatort-Experte François Werner (Tatort-Fundus.de) beispielsweise der Schweizer Fall „Zwischen zwei Welten“ (2014), in dem ein Medium Kontakt zu Toten aufnahm. Außerdem ist fast jeder Krimi mit Kommissar Murot, gespielt von Ulrich Tukur, seit dem Jahr 2010 eher außergewöhnlich. So hatte dieser Ermittler mal Sinnestäuschungen, die auf einen Hirntumor zurückgingen, oder aber die Krimifigur traf den Schauspieler, der sie spielt. In Erinnerung blieb zudem der Berliner Thriller „Vielleicht“ (2014), der letzte Fall mit Boris Aljinovic als Kommissar Stark. Darin hatte die norwegische Psychologiestudentin Trude seherische Fähigkeiten. 2009 gab es auch einen Münchner Esoterik-Film („Gesang der toten Dinge“).

Er halte es für „wahrscheinlich“, dass es immer öfter verrückt wird, sagt Tobias Gostomzyk, Professor für Medienrecht an der TU Dortmund, der schon mehrere Studien zum „Tatort“ verfasste. Es gebe im „Tatort“ immer wieder mal Verschwörungstheorien, unerklärliche Phänomene und unaufgelöste Fälle, warum nicht auch Geister? Die Sonntagskrimis haben sich seiner Ansicht nach „weiter differenziert“, das liege an der Vielzahl der „Tatort“-Teams, jede beteiligte ARD-Anstalt wolle noch mehr ihr eigenes Profil schärfen.

Als Grundsätze gelten Realismus, Lokalkolorit oder auch gesellschaftliche Relevanz. Der ARD-„Tatort“-Koordinator Gebhard Henke sagt dazu: „Vom "Tatort"-Erfinder Gunther Witte stammten aus der Gründerzeit des "Tatorts", also aus den frühen 70er Jahren, klare Regeln. Nach diesen soll ein "Tatort" ein eindeutiger und dem Realismus verpflichteter Ermittlerkrimi sein, soll keine Rückblenden enthalten, und der Fall soll realistisch sein und muss absolut im Mittelpunkt stehen.“ Fazit: Wenn der „Tatort“ also un-realistisch wird, ist das eine gezielte Grenzüberschreitung der Macher.

Nachdem es ARD-intern spätestens seit „Babbeldasch“, dem umstrittenen Laien- und Dialekt-„Tatort“ von Axel Ranisch Anfang 2017 zwischen den Sendern intensive Diskussionen gab, bestätigte jetzt ARD-Fernsehfilmkoordinator Jörg Schönenborn Informationen der Seite „Tatort-Fundus“, nach denen die Zahl der „Experimente“ beschränkt werden soll: „Zur Erfolgsgeschichte des "Tatort" gehört, dass er sich über Jahrzehnte filmisch und dramaturgisch ständig verändert hat und dabei oft an der Spitze der Entwicklung stand.“ Es solle weiterhin überraschende Filme geben, aber nur noch „zweimal im Jahr auch "experimentelle" Krimis“. „Darüber stimmen wir uns in der Koordination Fernsehfilm frühzeitig ab, damit die Filme entsprechend geplant und später dann sinnvoll platziert werden können.“

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