Debatte um Macho-Erziehung : Sind Muslimische Jungs „Bildungsverlierer“?
Dortmund Muslimische Jungen sind Verlierer bei Bildung und Integration, sagt ein Dortmunder Forscher. Viele jubelten Erdogan zu. Hauptgrund: Das „Versagen der Erziehung im Elternhaus“. Die Realität sehe anders aus, meinen viele.
Muslimische Jungen brechen öfter die Schule ab, werden später häufiger arbeitslos, sind „Verlierer“ bei Bildung und Integration. Verantwortlich für ihren gesellschaftlichen Misserfolg sind in erster Linie die Eltern, ihre Erziehung und ihr „Versagen“. So lautet die drastische Analyse des Erziehungswissenschaftlers Ahmet Toprak von der Fachhochschule Dortmund. Der türkischstämmige frühere Sozialarbeiter meint: Viele Eltern ziehen Machos heran. Seine Thesen rufen Skepsis und Widerspruch hervor.
Muslimische Jugendliche würden in der Öffentlichkeit vor allem wahrgenommen, wenn sie als „Gewalttäter oder frauenverachtende Machos“ auffallen, schreibt Toprak in seinem Buch „Muslimisch, Männlich, Desintegriert“, das er am Donnerstag der Öffentlichkeit vorstellt. Das Wissen über sie und ihre Denkweise sei aber gering. „Mein Hauptanliegen ist eine Bestandsaufnahme. Und dass die Jungs als Leidtragende gesehen werden, die man nicht anprangern, sondern besser fördern sollte“, sagt Toprak der Deutschen Presse-Agentur.
Seine Schilderung ist wenig schmeichelhaft: Die Mutter, die „privat alle Zepter in der Hand“ habe, sei unnachgiebig gegenüber der Tochter, nachsichtig gegenüber dem Sohn. Bei ihm werde jedes Fehlverhalten toleriert. So werde der Grundstein für Unselbstständigkeit gelegt. Auch die Väter spielten oft eine unglückliche Rolle. „Einige sind als Vorbild schlicht nicht geeignet“, meint Toprak und führt Arbeitslosigkeit und Gewaltbereitschaft an - oder dass sie den Anforderungen des Alltags wegen ihres Migrationshintergrunds nicht gewachsen seien.
Den Jungen fehlten daheim Grenzen wie auch Orientierung. Das mache sie anfällig für nationalistische Radikalisierung, viele verherrlichten den türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan. Seine Beschreibung gelte aber nicht für alle Eltern und Familien. „Ich meine die konservativen muslimischen Milieus“, sagt er der dpa. Das seien allerdings recht viele.
Das gezeichnete Bild sei viel zu pauschal und diffamierend, kritisiert Erziehungswissenschaftlerin Manuela Westphal. Schon die Definition „Muslime“ sei ungenau. Für Misserfolge allen voran die Erziehung in einem traditionell-patriarchalischen Elternhaus verantwortlich zu machen, sei falsch. „Das gibt auch die Forschung nicht her“, betont die Migrationsexpertin der Uni Kassel.