Gericht Romy Schneider, ihre Erbin und ein Richter

Prozess in Aachen: Wie kommt das Kinderzimmer der 1982 gestorbenen Schauspielikone in eine Würselener Lagerhalle?

Romy Schneiders Kinderzimmer steht in Kisten verpackt in Würselen . (Archivfoto)

Romy Schneiders Kinderzimmer steht in Kisten verpackt in Würselen . (Archivfoto)

Foto: dpa

Aachen. Um zu verstehen, warum Romy Schneiders Kinderzimmer in Kisten verpackt in Würselen steht, muss man wissen, wer Bettina Dahse ist, die am Freitagnachmittag ins Aachener Landgericht kam und so unsicher aussah wie jemand, der eben nicht weiß, was nun passieren wird. Zusammen mit ihrem Rechtsanwalt betrat sie den winzigen Saal D 2.369, grüßte den Richter höflich und verbeugte sich leicht. „Guten Tag“, sagte sie, ans Publikum gewandt, das aus drei Zuschauern bestand.

Dahse, eine gelernte Erzieherin Ende 40, kommt aus Ostdeutschland und hatte in der DDR nie viel von Romy Schneider mitbekommen. Doch als sie 1982 vom Tod der Schauspielerin hörte, war sie seltsam ergriffen, irgendwie auch fasziniert. Romy Schneider ließ Bettina Dahse, kurz gesagt, einfach nicht mehr los, und das hat sich bis heute nicht geändert.


Acht Jahre nach Romys Tod, kurz nach der Wende, machte sich Bettina Dahse eines morgens im Jahr 1990 von Vorpommern aus auf den Weg nach Schönau am Königssee, einfach so, sie wollte sich Romy Schneider irgendwie nähern. Sie hielt erst wieder an, als sie vor Mariengrund stand, Romy Schneiders Elternhaus, einen Steinwurf vom Obersalzberg entfernt, auf dem einst Hitlers Berghof gestanden hatte. In Mariengrund lebte Romys Mutter Magda Schneider zusammen mit ihrem letzten Ehemann, dem früheren Kameramann Horst Fehlhaber.

Dahse klingelte, und weil Fehlhaber ebenfalls aus Ostdeutschland stammte und Lust zum Reden hatte, wurde Dahse eingelassen. Nun saß sie da, in Schneiders Elternhaus, mit Fehlhaber und der alten Magda Schneider. Jahre später erzählte Dahse dem „Spiegel“, sie habe drei Stunden lang Magda Schneiders Hand gehalten. „Es war, als hätte ich sie längst gekannt.“

Magda Schneider und Bettina Dahse freundeten sich an, sie durfte wiederkommen und gelegentlich in Romy Schneiders Kinderzimmer in Mariengrund wohnen und übernachten, wo es aussah, als wäre Romy Schneider dort nie ausgezogen, auch wenn sie längst tot war. Als Romy Schneiders Mutter 1996 starb, erbte Dahse einen Teil des Nachlasses, und als auch Horst Fehlhaber starb, 2010, erbte sie noch mehr aus dem ursprünglichen Besitz der Schneiders. Und einiges aus diesem Nachlass steht seit 2010 in einer Lagerhalle in Würselen.


Am Freitag nun klagte Bettina Dahse vor dem Aachener Landgericht auf die Herausgabe all dieser Sachen, sie sind ihr Eigentum. Sie möchte im März in Berlin, wo sie inzwischen lebt, eine Ausstellung mit ihrem Teil des Schneider-Nachlasses eröffnen: Briefe, die Romy an ihre Mutter Magda schrieb, Tausende unveröffentlichte Fotos, Geschirr, Kleidung, private Filme, sie möchte Romy Schneiders Kinderzimmer mit dem originalen Inventar in Berlin nachbauen, ebenso das Schlafzimmer Magda Schneiders. Man kann sagen, dass Romy Schneiders Kinderzimmer eine Bedeutung hat in der Geschichte der Bundesrepublik. Dahse sagte am Freitag vor Gericht, es sei „der Sehnsuchtsort einer ganzen Generation“, die die junge Schauspielerin Romy Schneider in ihr Herz geschlossen hatte, damals, in den 50er Jahren.



Bettina Dahse war und ist keine reiche Frau und suchte 2009 jemanden, der ihr zweites Buch über Romy Schneider finanziert. Das erste war bereits 2002 erschienen, es heißt „Romy: ,Ich hätte Ihnen so gern noch was gesagt...‘“. Ein bekannter Aachener Unternehmer wurde auf die Frau mit dem Schneider-Nachlass aufmerksam und zahlte Dahse 5000 Euro Vorschuss auf das Buch. Er erklärte sich zudem bereit, Dahses Schneider-Nachlass auf seine Kosten in einer Halle Würselen einzulagern, es ist doch mehr, als sich in normalen Wohnungen unterbringen lässt, zwei Lkw-Ladungen.

Doch aus dem Buch wurde nichts, Dahse erklärte am Freitag vor der 12. Zivilkammer des Aachener Landgerichts von Richter Uwe Meiendresch, sie habe lediglich einige Kapitel fertigstellen können, warum blieb offen. Ihren in Kisten verpackten Schneider-Nachlass brauche sie aber trotzdem zurück, sie wolle doch im März die Ausstellung eröffnen.

Für den juristischen Laien ist die Sache eindeutig, für Juristen wie Richter Meiendresch nicht ganz: „Da haben Sie mir eine schöne Denksportaufgabe gegeben“, sagte Meiendresch und lachte verbindlich.

Bettina Dahse bezeichnet sich als Romy-Schneider-Biografin, und als sie jünger war, hat sie eine zeitlang auch ausgesehen wie Romy Schneider, jedenfalls ein bisschen. Ihre Augenbrauen hat sie heute noch gezupft wie die Schauspielikone, „zum typisch hohen Romy-Bogen“, wie der „Spiegel“ 2009 schrieb. Möglicherweise ist die Schneider-Ausstellung, die sie plant, die wirtschaftliche Grundlage ihres restlichen Lebens, vor Gericht sagte sie am Freitag, in die Romy-Schau in der Bonner Kunsthalle 2012 seien 10 000 Besucher gekommen, pro Woche. Der Mythos Romy Schneider lebt, vermutlich lässt er sich auch zu Geld machen.

Dahses Problem ist, dass sie zwar viele Ideen, aber nur wenig Geld hat. Als sie den Aachener Unternehmer vor einiger Zeit aufforderte, sie in die Lagerhalle in Würselen zu lassen, damit sie den Schneider-Nachlass abholen könne, forderte der im Gegenzug die 5000 Euro Vorschuss für das nicht fertiggestellte Buch plus 32 000 Euro Lager- und anderer Kosten von Dahse. Geld, das sie nicht hat. Dahse klagte.

In Richter Uwe Meiendresch fand Dahse einen ausgezeichneten Moderator, der die zahlreichen juristischen Schwierigkeiten des Falles darlegte und darauf hinwies, dass er nur der Richter der ersten Instanz sei. Wolle man den Fall durch alle Instanzen klagen, würden Jahre vergehen, von den Prozesskosten, die sich der Aachener Unternehmer problemlos leisten kann und Dahse eben nicht, ganz zu schweigen.

Also regte Meiendresch einen Vergleich an: Dahse solle die 5000 Euro Vorschuss zurückzahlen, auf die habe der Aachener Unternehmer einen zweifelsfreien Anspruch, da sie das Buch nicht wie vereinbart fertiggestellt habe. Und dann solle sie noch etwas von den restlichen Forderungen zahlen. „Aber nur ein bisschen“, mahnte Meiendresch und schaute den Anwalt des Aachener Unternehmers mit gespielter Strenge an. Der Anwalt lächelte und nickte.


Nach kurzer Beratung stimmten Dahse und ihr Anwalt zu. Bettina Dahse wird dem Aachener Unternehmer insgesamt 7500 Euro in monatlichen Raten à 500 Euro zahlen, sobald die Ausstellung in Berlin eröffnet ist, spätestens aber ab Oktober. Voraussetzung ist, dass der in Würselen eingelagerte Schneider-Nachlass nicht völlig vermodert und überhaupt noch dort ist. Das will sie in den kommenden Tagen überprüfen, solange bleibt sie noch in Aachen. Wenn mit den vielen Dingen in der Würselener Lagerhalle alles in Ordnung ist, wäre der Fall endgültig geklärt. Wenn nicht, will Richter Meiendresch im April ein Urteil sprechen.

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