Vatikan-REise Obdachlose folgen der Einladung des Papstes

Franziskus hat 4000 Menschen in prekären Lebenssituationen nach Rom eingeladen. 130 von ihnen kommen aus dem Erzbistum Köln.

Die Pilger Rainer Wissmann (2.v.l.) und Gerti Wirtz (M.) zusammen mit Weihhbischof Ansgar Puff und Schwester Franziska.

Die Pilger Rainer Wissmann (2.v.l.) und Gerti Wirtz (M.) zusammen mit Weihhbischof Ansgar Puff und Schwester Franziska.

Foto: Oliver Berg

Köln. Rainer Wissmann hat drei Ziele für seinen Romaufenthalt: Er will am Grab von Johannes Paul II. beten, die Paulus-Basilika besuchen - und Papst Franziskus kennenlernen. Schließlich hat der ihn eingeladen. Und dass man so eine Einladung annimmt, „ist doch wohl klar“. Für den 50-Jährigen wird die heute beginnende Reise zu einem Wiedersehen mit der heiligen Stadt. Er hat dort schon einmal ein halbes Jahr gelebt — als Obdachloser.

Damit hat Wissmann einen Erfahrungsvorsprung, den die wenigsten seiner Mitreisenden teilen. 4000 Menschen in prekären Lebenssituationen aus ganz Europa folgen der Einladung von Papst Franziskus, dazu noch einmal rund 2000 Begleiter. Sie alle werden von Freitag bis Sonntag an einem dreitägigen Programm teilnehmen. „Gott schenkt Trost“, „Gott schenkt Vergebung“ und „Gott schenkt Hoffnung“ sind die drei Tage überschrieben. Sie beginnen mit einer Privataudienz beim Papst und enden mit einer großen Messe im Petersdom. Eingebettet ist die Wallfahrt in das von Franziskus ausgerufene „Heilige Jahr der Barmherzigkeit“, das am 20. November endet.

Der Kölner Weihbischof Ansgar Puff hält die Wallfahrt daher für besonders passend. Wenn er die Reisenden als „Schatz der Kirche“ bezeichnet, greift er damit die alte Überlieferung des Heiligen Laurentius auf. Der sollte dem Kaiser den Kirchenschatz aushändigen, verteilte ihn stattdessen in der Gemeinde und präsentierte dem Kaiser anschließend eine Armenschar als „wahren Schatz der Kirche“. In dieser Tradition versteht Puff auch die bevorstehende Reise als „Fanal an eine mittelstandsorientierte Kirche: Diese Menschen gehören in die Kirche und nicht vor sie.“

Was nicht heißt, dass keine Skepsis überwunden werden musste. Am wenigsten noch auf der Seite der Obdachlosen. Als Schwester Franziska, Kölner Obdachlosenseelsorgerin, eine Liste für Interessensbekundungen aushängte, „war sie nach dem Gottesdienst schon voll“. Aber nicht jeder kann mitfahren. Ein gewisses Maß an Selbstorganisation ist notwendig, auch Pünktlichkeit zählt dazu und die Bereitschaft, auf Drogenkonsum zu verzichten. Den Aufwand der Auswahl und Organisation habe sie aber gerne übernommen, erzählt die Schwester: „Ich habe meine eigene erste Romreise vor einem Jahr als großes Geschenk empfunden. Und jetzt ermöglichen wir das für andere, die sonst nie die Chance dazu haben.“

Zumal sie in ihrer täglichen Arbeit immer wieder erlebt, dass unter Obdachlosen oft ein „existenziellerer Glaube“ herrscht als im Rest der Gesellschaft. „Bei unseren Dialogpredigten melden sich die Besucher sehr deutlich zu Wort und formulieren auch intensive Fürbitten.“ Eingebrannt hat sich ihr die Szene, als ein Obdachloser gerade durch Diebstahl sein letztes Hab und Gut verloren hatte und von einem anderen in den Arm genommen und mit den Worten getröstet wurde: „Der da oben hilft uns.“

Hilft denn auch die Reise nach Rom? Andreas Sellner ist fest davon überzeugt. Der Leiter der Gefährdetenhilfe des Diözesan-Caritasverbandes spricht davon, die Aktion des Papstes sei bei den Betroffenen „hoch wertschätzend“ angekommen: „Viele haben gesagt, sie hätten mit vielem gerechnet, aber nicht damit.“ Gerti Wirtz, die zwei Jahre auf der Straße gelebt hat und derzeit in einer Kölner Einrichtung für betreutes Wohnen untergekommen ist, nickt zustimmend: „Ich fühle mich eingeladen.“ Nicht nur für sie, sondern auch für Sellner selbst ist es die erste Romreise seines Lebens: „Ich habe immer einen Bogen um Rom gemacht, aber jetzt finde ich es total toll, dass wir alle zusammen fahren.“ Franziskus wirke in seinem Engagement für die Armen authentisch: „Das glaubt man ihm.“

Was spielt es da noch für eine Rolle, ob man katholisch ist oder nicht? „Ich bin es nicht, aber Christ“, sagt Rainer Wissmann. „Für mich war der Papst immer ein Vorbild.“ Seine Mitreisenden kennt er nicht — alles fremde Leute. „Aber alle meine Pilgerreisen waren reine Einzelkämpfe.“ Doch als stünde gerade womöglich etwas zu viel Heiligkeit im Raum, zieht plötzlich ein fröhliches Grinsen über sein Gesicht: „Und wenn noch Zeit übrig ist, will ich auch ein bisschen Party machen.“

Kasten: ROMREISE

TEILNEHMER Die 130 Obdachlosen aus dem Erzbistum Köln und ihre 20 Begleiter kommen aus Köln, Bonn, Leverkusen, Düsseldorf, Mettmann, Bochum, Oberhausen, Recklinghausen, Kleve und der Eifel.

LITAUEN Zusätzlich finanziert das Erzbistum noch die Romreise einer kleinen Gruppe aus Kaunas in Litauen.

KOSTEN Insgesamt kostet die Wallfahrt gut 50 000 Euro. 12 000 Euro steuert die Caritaskasse des Domkapitels bei, 20 000 Euro kommen von der Caritasstiftung des Erzbistums. Auch die Teilnehmer müssen je 50 Euro beisteuern.

VERKEHRSMITTEL Die Anreise erfolgt mit zwei Bussen, per Zug und für 20 Personen auch mit dem Billigflieger.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort